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AKK arbeitet an ihrem Profil & Merkel nähert sich den Abschied

Dienstag 09.April.2019 - 04:39
Die Referenz
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Berlin (Berliner-Morgenpost) - Es gibt Termine, die sind auch für eine Kanzlerin ein Genuss. Wenn etwa – wie am Montag geschehen – die Handball-Nationalmannschaft zu Besuch ins Kanzleramt kommt. Angela Merkel wolle „die Leistungen und das positive Auftreten des deutschen Teams bei der diesjährigen Handball-Weltmeisterschaft würdigen“, hieß es zuvor vom Bundespresseamt.

 

Und tatsächlich zauberte der Besuch von Teamkapitän Uwe Gensheimer und Co ein Lächeln ins Gesicht der deutschen Regierungschefin. Ähnlich entzückt wirkte sie, als sie den ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama am vergangenen Freitag im Kanzleramt zu einem „privaten Treffen“ empfing.

 

Angela Merkel empfängt Theresa May

 

In der Regierungszentrale geht es diese Woche dann auch betriebsam weiter: Nach den Handballern kommt am heutigen Dienstag die britische Regierungschefin Theresa May, um sich Beistand bei Merkel für den Sondergipfel der EU zum Brexit zu holen.

 

Am Mittwochmorgen leitet Merkel die Kabinettssitzung, bei der eine Einigung zur Grundsteuer verabschiedet werden soll, danach tagt das Klimakabinett unter ihrem Vorsitz. Vor der Abreise nach Brüssel steht sie den Parlamentariern in der Regierungsbefragung Rede und Antwort.

 

Merkel und AKK haben ihre Rollen definiert und gefunden

 

Sieht so eine Abschiedstournee aus? Eher nicht. Und doch ist der Verbleib der 64-Jährigen im Amt seit dem Rückzug vom CDU-Vorsitz die bestimmende Frage im Regierungsviertel. In allen Parteien, auf allen Ebenen. Bleibt sie bis zu einer Neuwahl oder geht sie freiwillig? Eventuell schon nach der Europawahl?

 

Was passiert, wenn die Regierung aus Union und SPD in die Brüche geht? In der Union beharrt man eisern darauf, dass keiner ein Interesse habe, dass die Regierung vorzeitig kippt. Zumindest nicht in diesem Jahr, wird manchmal eingeschränkt. Merkels Leute wiederum verweisen auf ihre Aussage, dass sie für die gesamte Legislaturperiode zur Verfügung stehe. Jeder dritte Deutsche will jedenfalls, dass Merkel vorzeitig abtritt.

 

Union wird Amtsbonus für die Wahl haben wollen

 

Allerdings stimmt auch, was der scheidende EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU), kein wahrer Freund der Kanzlerin, kürzlich sagte: Man müsse abwarten, ob die große Koalition aus Union und SPD überhaupt den Spätherbst überstehe. „Die Union wird ein Interesse haben, den Amtsbonus in die Wahl hineinzutragen“, sagte er mit Blick auf die neue Frau an der CDU-Spitze, Annegret Kramp-Karrenbauer. „Es gibt also kein Drehbuch. Daran arbeitet man.“

 

Die Frage, ob die SPD die Nerven behält, ist die eine. Die Frage, ob ein selbstbestimmter Abgang Merkels ihr letzter großer politischer Coup wäre, die andere. Ihren männlichen Vorgängern im Amt gelang das nicht.

 

Letzlich bleibt es eine Frage zwischen den beiden Frauen, „die das selbst wahrscheinlich auch noch nicht wissen“, bringt einer das Rätselraten auf den Punkt. Das Bibel-Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen, in dem es darum geht, auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein, wurde an Weihnachten schon mehrfach kolportiert. Es endet mit den Worten: „Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.“ Es gilt immer noch.

 

AKK und Merkel haben ihre Rollen gefunden

 

Merkel und Kramp-Karrenbauer haben in den ersten Monaten des Jahres jedenfalls ihre Rollen gefunden. Merkel widmet sich mit voller Kraft der Vertretung Deutschlands in internationalen Fragen, betreibt Außen- und Wirtschaftspolitik in einem. Sie arbeitet damit zumindest indirekt an ihrem politischen Vermächtnis, an Dingen, die sie für entscheidend hält: die internationale Zusammenarbeit, der Multilateralismus, das Verhältnis zu Afrika, das Zusammenbleiben der EU. Der Kurs von AKK war nach 100 Tagen eindeutig: Bloß keine Mini-Merkel werden.

 

Über Parteigrenzen hinweg haben ihre jüngsten großen Auftritte Anklang gefunden, vor allem die Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Sie nimmt sich inhaltliche Freiheiten, die sie sich als Parteichefin so nicht gegönnt hätte. Die offene Sympathie für die Schülerproteste „Fridays forFuture“ ist so ein Beispiel. Doch Merkel zieht, in Abstimmung mit ihrer Nachfolgerin auch klare Grenzen: So überlässt sie Kramp-Karrenbauer die komplette deutsche Bühne im Europawahlkampf.

 

Nur beim Abschluss der Kampagne der Europäischen Volkspartei (EVP), zu der auch CDU und CSU gehören, wird die Regierungschefin am 24. Mai in München zusammen mit anderen EVP-Staats- und Regierungschefs auftreten. Allenfalls im Ausland wird Merkel sich außerdem gemeinsam mit EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber sehen lassen.

 

Auch in den drei östlichen Bundesländern und in Bremen wird Merkel im Landtagswahlkampf nicht in Erscheinung treten. Angedacht sind allenfalls Formate wie neulich in Bremerhaven, ein Dialog mit einigen Bürgern.

 

Die neue Chefin arbeitet an ihrem Profil – besonders im Osten

 

AKK dagegen ist unermüdlich unterwegs. Ihr Twitter-Account liefert Zeugnis von sehr, sehr vielen Terminen. Ob ein Zweier-Auftritt mit SPD-Chefin Andrea Nahles, ein Interview mit der BBC oder Termine an der Parteibasis wie jüngst in Thüringen. AKK will besonders im Osten signalisieren, dass es Rückendeckung aus dem Adenauer-Haus für die Landtagswahlkämpfe gibt.

 

Thüringens CDU-Landeschef Mike Mohringlobte sie dafür öffentlich: Der Wechsel an der CDU-Spitze sei sehr gut gewesen. Nach den ersten Wochen im Amt könne er sagen: „Du tust dieser CDU gut.“

 

Für die Saarländerin ist die Wahlkampfbühne ideal, um ihre Bekanntheit zu steigern. Zugleich wächst damit das Risiko, für maue Wahlergebnisse verantwortlich gemacht zu werden. Doch sie scheut das Risiko nicht. Und versucht gleichzeitig, ihr internationales Profil zu schärfen.

 

Die beiden Frauen stimmen sich weiterhin eng ab

 

AKKs Antwort an den französischen Präsidenten Emmanuel Macron etwa wurde im Adenauer-Haus geschrieben und enthielt ihre eigene Handschrift. Unabgestimmt mit Merkel war sie dennoch nicht. Das Nein zur Grenzschließung von Merkel hat AKK aufgeweicht. Die beiden Frauen stimmen in dieser Frage nicht überein – müssen sie ja auch nicht, heißt es dazu.

 

Doch sie stimmen sich nach wie vor eng ab. Kramp-Karrenbauer ist bei Fraktionssitzungen dabei, bei Koalitionsausschüssen erteilt auch schon mal sie der Kanzlerin das Wort. Doch sie arbeitet in enger Abstimmung mit dem Kanzleramt, der Koalitionsmanager ist immer noch Kanzleramtsminister Helge Braun. Ein Jahr große Koalition – wie lange geht das noch gut?

 

Machtverteilung vorerst für Merkel noch in Ordnung

 

Es wirkt, als könnten die neue und die alte CDU-Chefin mit der Machtverteilung noch ganz gut leben. Die Merkel-Kritiker in der Union dagegen scharren mit den Füßen. Alexander Mitsch, Vorsitzender der konservativen Werteunion, hat konkrete zeitliche Vorstellungen: Die Union stehe in Umfragen noch schlechter da als nach dem miserablen Ergebnis der Bundestagswahl, sagte er unserer Redaktion.

 

„Auch deshalb brauchen wir jetzt möglichst bald die Politikwende. Ich hielte es für das Beste, wenn der Prozess der Übergabe der Regierungsverantwortung an Frau Kramp-Karrenbauer und Herrn Merz nach der Europawahl eingeleitet wird. Erst wenn dieser Schritt wirklich vollzogen ist, werden die Bürger uns die Politikwende auch abnehmen und uns wieder vertrauen“, glaubt Mitsch.

 

Kramp-Karrenbauer und Merz treten gemeinsam auf

 

Am Freitag tritt AKK mit Friedrich Merz, der ihr bei der Wahl knapp unterlegen war, und nun als Minister im Wartestand gilt, im Sauerland auf. Es ist der erste gemeinsame Termin der beiden seit dem Parteitag im Dezember. Von Merz – er stammt aus dem Sauerland und zweifelt am Fortbestand der Koalition bis 2021 – soll eine „Anmoderation“ kommen, Kramp-Karrenbauer werde dann eine Rede halten. Außerdem soll es noch eine Diskussionsrunde geben.

 

Und was macht Merkel? Sie empfängt am Freitag den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko. Kein einfacher Gast, kein einfacher Besuch. Doch er dürfte ihr lieber sein, als mit ihrem Erzrivalen Merz auf einer Bühne stehen zu müssen.Ü

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