CDU präsentiert ihre Kampagne zur Europawahl ohne Merkel
Berlin (Welt) - Eigentlich sind Wahlplakate etwas schrecklich Altbackenes. Aber was Besseres ist noch keinem eingefallen. So präsentiert also die CDU am Freitagmorgen ihre Kampagne zur Europawahl am 26. Mai. Dabei überrascht die Partei: Denn das Konzept, dessen Wirkung sie in den vergangenen Wochen zu testen schien, hat sie völlig verworfen.
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, ebenso wie Generalsekretär Paul Ziemiak und der Spitzenkandidat der Union, CSU-Politiker Manfred Weber, hatten sich zuletzt immer wieder mit einer Aussage hervorgetan, die eigentlich ein Versprechen, ein Appell war: „Wir müssen Europa besser machen!“ Das hatte etwa Weber beim politischen Aschermittwoch den CSU-Leuten zugerufen. Kramp-Karrenbauer hatte die Formulierung in ihre Erwiderung auf die EU-Reformvorschläge von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eingebaut.
Damit nahmen beide die Gefühlslage auf, die sich in Anbetracht von Brexit-Chaos, nach der Flüchtlingskrise, Terroranschlägen und teilweiser Handlungsunfähigkeit Europas doch bei vielen Bürgern eingestellt hat. In der nun vorgestellten Kampagne findet all das keinen Niederschlag. Man könnte von einer Wirklichkeitsverweigerung sprechen.
„Für Deutschlands Zukunft. Unser Europa“, heißt der Hauptslogan. Mit der Formulierung umarmt die CDU Europa, als handelte es sich um einen sympathischen Familienangehörigen. Man erinnert sich dabei an anheimelnde TV-Serien wie „Unsere kleine Farm“, „Unsere Hagenbecks“ oder „Unser Charly“.
Als „absolut proeuropäisch“ bezeichnet Ziemiak die Kampagne. Hat die CDU vielleicht Paartherapeuthengelauscht, die sagen, Kritik wirke in Beziehungen immer negativ, auch wenn sie vermeintlich noch so konstruktiv daherkommt? Es scheint so. 2014 hatte sie es noch mit so einer Strategie der konstruktiven Kritik versucht. „Damit Europa mehr Arbeit und Wachstum schafft“, hieß es damals. Oder: „Damit ein stabiler Euro allen hilft“. Dahinter verbarg sich das Bekenntnis, dass es Veränderung, Reform, Verbesserungen brauche. Gebracht hat das nichts. Die Union verlor damals fünf Sitze im Europaparlament.
Heute wird auf den Großplakaten formuliert: „Unser Europa schafft Wohlstand“ oder „Unser Europa steht für Frieden“. Letzteres wird eingerahmt von einem Bild des Reichstags 1945, zerschossen, schwarz-weiß, daneben der Reichstag von heute: bunt, restauriert, ein nettes Paar sitzt davor im Gras.
Auf dem Plakat zum Thema Wohlstand ist links ein Kohle-Förderturm in Grau, rechts eine moderne bunte Industrieanlage abgebildet. Arg klischeehaft ist das Plakat, auf dem es heißt: „Unser Europa schafft Sicherheit“. Links ein Hoodie-Träger im Halbdunkel, wohl ein Hacker. Rechts eine schöne Bundeswehrsoldatin am Computer. Die Generation Anti-Upload-Filter dürfte sich eher mit der Gestalt im Kapuzenpulli identifizieren.
Offenbar passt zum Wohlfühlcharakter der Kampagne auch das Konterfei jener Person nicht mehr, mit der die Partei noch 2014 und 2009 offensiv warb: Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die taucht nirgends auf. Sie wird auch fast keine Wahlkampftermine in Deutschland wahrnehmen. Nur bei der Schlusskundgebung am 24. Mai in München wird man sie sehen. Im Ausland nimmt sie an wenigen Veranstaltungen teil, „aber auch hier in ihrer Funktion als Kanzlerin“, wie Ziemiakbetonte. Als hätte Merkel mit der CDU nichts mehr zu tun.
Ziemiak sagte, man wolle sich in der Kampagne „nicht auf die Ränder fokussieren“, sondern den „Wettbewerb um die Mitte“ führen. Merkel provoziert gerade rechte Wähler noch immer stark. Es wäre zu erwarten gewesen, dass es bei ihren Auftritten ähnliche Szenen gegeben hätte wie vor der Bundestagswahl. Damals wurde sie oft niedergebrüllt und ausgepfiffen.
Wie WELT aus CDU-Kreisen erfuhr, hatte die Kanzlerin selbst entschieden, sich nicht auf Veranstaltungen während des Wahlkampfs zu zeigen. Das Angebot habe bestanden – sie wollte nicht. Die CDU kann deshalb jetzt also wirklich so tun, als wäre Merkel schon Geschichte. Sie vermeidet die Konfrontation mit den Merkel-Gegnern und damit eine Polarisierung.
Auch CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer lächelt von keinem Plakat. So viel Selbstbewusstsein bringt die Partei offenbar noch nicht auf. Oder will sie vermeiden, dass eine Schlappe bei der neuen Führung abgeladen wird? Diese Gefahr besteht nach wie vor. Merkel ist ja de facto weg.
Das einzige Politikergesicht, das den Menschen Europa näher bringen soll, ist das von Manfred Weber. Auf dem Plakat, das Weber mit schönen Zähnen, starkem Bartschatten und Ehering als Sympathieträger vermitteln soll, tauchen die Logos von CDU und CSU erstmals gemeinsam auf einem Europawahlplakat auf. Die Union will sich zum Erfolg in Brüssel kuscheln.