Regierungserklärung zum Brexit: Merkel stellt May Bedingung
Berlin (Spiegel) - Auch acht Tage vor den geplanten Ausscheiden Großbritanniens aus der EU ist noch immer nicht klar, wie der Brexit vonstatten gehen soll. Bundeskanzlerin Angela Merkel signalisierte in einer Regierungserklärung zwar Bereitschaft für einen Aufschub des Austritts der Briten auf Ende Juni. Bedingung sei aber, dass das Unterhaus kommende Woche Ja zum Vertrag mit Brüssel sage.
"Über eine kurze Verlängerung kann man dann sicher positiv reden", sagte Merkel mit Blick auf das am Nachmittag beginnende Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Wenn es allerdings zu keinem positiven Votum des britischen Parlaments komme, werde es möglicherweise zu einem weiteren EU-Spitzentreffen kommen müssen.
"So sehr wir auf einen geordneten Austritt hinarbeiten, so bereiten wir uns auch darauf vor, dass es einen ungeregelten Austritt geben kann", sagte die Kanzlerin. Sie wies darauf hin, dass für diesen Fall Vorkehrungen von Deutschland und den übrigen EU-Staaten getroffen worden seien - sowohl was die Aufrechterhaltung des Verkehrs angehe als auch die Rechte etwa von Erasmus-Studenten oder in Deutschland lebenden Briten. Dennoch "werden wir uns bis zur letzten Stunde dafür einsetzen, dass diese Notfallmaßnahmen nicht zum Tragen kommen", hob Merkel hervor.
Als zentrales Problem für eine Übereinkunft nannte Merkel erneut die Frage der Grenzregelungen zwischen dem zum Vereinigten Königreich gehörenden Nordirland und der Republik Irland. Sie stellte sich hinter das zwischen der EU und Großbritannien ausgehandelte Dokument von Straßburg, das in dieser Frage zusätzliche Zusicherungen an Großbritannien enthält.
Der britische EU-Austritt wird nach derzeitiger Rechtslage am 29. März wirksam. Für eine Verschiebung, wie sie die britische Premierministerin Theresa May beantragt hat, wäre die Zustimmung aller übrigen EU-Staaten notwendig.
Merkel forderte die künftig 27 Mitgliedstaaten der EU auf, sich nach dem Austritt der Briten auf die Herausforderungen der Zukunft zu konzentrieren. Die Welt ordne sich gerade neu, und die Europäer müssten sich überlegen, wie sie darauf reagieren wollten. Europa müsse einheitlich auftreten und seinen Binnenmarkt stärken.
Merkel fordert starken Euro
Die Rolle Europas wachse weiter, sagte Merkel. Es gelte dabei, dass das Wohlstandsversprechen und Sicherheitsversprechen weiter gehalten werden müssten. Multilateralismus habe Europa Frieden und Wohlstand gebracht, sagte sie auch an die Adresse der USA. Das solle in Europa so weitergemacht werden, "zum Wohle aller".
Die Wirtschaftskraft der EU sei gewachsen in den vergangenen Jahren, auch wenn sich die Entwicklung zuletzt eingetrübt habe. Das reiche aber nicht aus, um mit der Weltspitze mitzuhalten. So sei etwa notwendig, alles zu tun, um die gemeinsame Währung zu festigen. Die Kanzlerin dankte dabei ausdrücklich Finanzminister Olaf Scholz (SPD), der sich darum erfolgreich bemüht habe. Derzeit werde an einer Steuer für Finanztransaktionen gearbeitet, allerdings sei das schwer umzusetzen, wenn es keine globale Übereinstimmung dafür gebe. Auch hier dankte sie Scholz ausdrücklich für seinen Einsatz.
Die Kanzlerin forderte einen starken Euro als Basis für eine gemeinsame Industriepolitik. "Wir müssen alles tun, um die gemeinsame Währung zu festigen", sagte sie. Der Einsatz für einen starken Euro werde weltweit dann so verstanden, dass Europa einheitlich auftrete. Die Bankenunion etwa müsse schnell umgesetzt werden. Klar sei aber: "Ohne Risikoabbau kann es auch keine Risikoteilung geben", sagte sie mit Blick auf die unterschiedliche Verschuldung von Staaten und Banken.