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Polizei-Experten fordern eine bessere Sicherung der deutschen Westgrenze

Dienstag 19.März.2019 - 05:26
Die Referenz
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Berlin (welt) - Unter Grenzschützern fällt es manchen schwer, von einer richtigen „Grenze“ im Westen zu sprechen. Die 573 Kilometer lange Trennungslinie zu den Niederlanden und Belgien ist demnach so durchlässig, dass etwa Thomas Mischke vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Vorsitzender für den Bereich Bundespolizei, lieber von einem „Übergang“ spricht. Und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) weist darauf hin, dass es immerhin an die 400 Möglichkeiten gebe, Deutschland ungestört zu betreten und wieder zu verlassen. 160 davon sind Autobahnen, Bundes-, Land- und Kreisstraßen sowie Schienenwege. Kurzum: Ein extrem schwieriges Terrain für Kontrollen.

 

Beim deutschen Grenzschutz denken viele zunächst an Bayern. Seit der Flüchtlingskrise 2015 richtet sich der Blick oft auf Süddeutschland und den Nachbarn Österreich, vor allem wegen der Balkanroute. Seit Mitte 2018 ist die neue bayerische Grenzpolizei dort verstärkt im Einsatz, und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) profiliert sich mit einer harten Linie. Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen, das als europäisches Transitland gilt, herrscht indes eine andere politische Haltung vor.

 

Die schwarz-gelbe Landesregierung spricht zwar gern von einer „Null Toleranz“-Strategie. Doch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet(CDU) lehnt Beschränkungen und Schließungen an der Westgrenze ab. Der Grund: Er sieht die Freizügigkeit der EU gefährdet. Es gebe einen großen gemeinsamen Wirtschafts-, Lebens- und Arbeitsraum mit den Niederlanden, Belgien und Luxemburg. „Jetzt wieder Kontrollen einzuführen, durch die wir zwei bis drei Stunden an der Grenze stehen würden, kommt überhaupt nicht infrage“, sagte Laschet im vergangenem Jahr etwa dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Ein nationaler Alleingang würde „Chaos“ schaffen.

 

Dabei ist die Lage im deutschen Westen nach Auffassung von Experten kritisch. Der Innenausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen beschäftigte sich in der vergangenen Woche mit der Situation. Bei einer Anhörung, die von der AfD-Landtagsfraktion initiiert worden war, ging es darum, wie sicher die Grenze ist. Die eingeladenen Sicherheitsexperten der Gewerkschaft der Polizei (GdP), des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) sowie der Deutschen Polizeigewerkschaft betonten in großer Einigkeit, dass erhebliche personelle und technische Verbesserungen notwendig seien, um illegale Einreisen sowie Einbruchs- und Rauschgiftkriminalität zu bekämpfen.

 

Es gebe eine „Verdrängung von der relativ stark gesicherten Südgrenze zur sehr offenen Westgrenze mit ihren zahlreichen anonymen Grenzübertrittsmöglichkeiten“, erklärt BDK-Vertreter Mischke in einer schriftlichen Stellungnahme für die Anhörung. Das Dreiländereck mit der Region um Aachen, Belgien und den Niederlanden habe ein Problem mit grenzüberschreitender Kriminalität: „NRW gilt als Brennpunkt illegaler Migration“, stellt Mischke fest.

 

Eine geplante Aufstockung der EU-Grenzschutzagentur Frontex auf 10.000 Mitarbeiter wird noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Daher sollen die Mitgliedsstaaten selbst aktiv werden. „Solange die europäische Außengrenzkontrolle nicht wirksam funktioniert, ist ein effektiver, moderner Grenzschutz an den Binnengrenzen notwendig“, stellt die GdP in einer Stellungnahme an den Landtag fest.

 

GdP-Vorstand Arnd Krummen ist bei seiner Gewerkschaft zuständig für die Bundespolizei; er wiederholte als Gast in der Anhörung des Innenausschusses etwas, was er schon seit Längerem sagt: „Der Grenzschutz findet zum jetzigen Zeitpunkt so gut wie gar nicht statt. Wir sind offen wie ein Scheunentor. Das ist nach wie vor der Fall.“

 

Eine lückenlose Überwachung sei nicht möglich, „doch würde eine Intensivierung der Schleierfahndung/Binnengrenzfahndung einen deutlichen Sicherheitsgewinn bedeuten“, so Mischke. Aus seiner Sicht wäre es wichtig, den Zuständigkeitsbereich für Binnengrenzfahndungen von bisher 30 auf 50 Kilometer und an Seegrenzen von 50 auf 80 Kilometer zu erweitern.

 

Diese Forderung unterstützen auch die anderen Polizeigewerkschafter. „Wir machen nicht dicht, wir machen keine Schranke zu, ziehen keinen Zaun, sondern wir ziehen aus dem fließenden Verkehr diejenigen, die zu kontrollieren sind, heraus. Und dann hätten wir die Möglichkeit, unmittelbar vor Ort die Fahndungsabfragen durchzuführen“, sagt GdP-Vertreter Krummen. Damit ließen sich „geringstmögliche Eingriffe“ in die EU-Freizügigkeit gewährleisten: Es brauche keine Schlagbäume.

 

Die Bundespolizei stellt inzwischen vermehrt Beamte ein. „Die Bundespolizei wird sich in den nächsten Jahren an der Westgrenze deutlich verstärken“, betont BDK-Vertreter Mischke in der Anhörung. Sie werde sich dann intensiver bei den Fahndungen einbringen können. Vor allem die an der Grenze stark belasteten Inspektionen in Aachen und Kleve müssten verstärkt werden. Mischke fordert wie die anderen Experten, gemeinsame Teams mit Bundes-, Landespolizei, Zoll sowie Kollegen aus den Niederlanden und Belgien. Die GdP fordert außerdem verbindliche Polizeiverträge mit den Nachbarstaaten.

 

Der BDK regt auch die Gründung einer gemeinsamen Rauschgiftgruppe an, weil es einen „dramatischen Zuwachs“ beim Drogenschmuggel mit Methamphetaminenund Kokain gebe. Nach Mischkes Einschätzung wären 100 bis 200 zusätzliche Beamte des Landes NRW ausreichend, um die Situation deutlich zu verbessern. Die Grenzschutzexperten beklagen, dass an den Bundesautobahnen oder Schnellstraßen Haltemöglichkeiten fehlten, um verdächtigte Fahrzeuge zu kontrollieren. Es seien auch mobile Kontrollstellen notwendig; deshalb müsse bei der Verkehrsplanung auf flexible Leitplanken sowie Standorte mit Strom- und Wasserverbindung sowie Internetanschluss geachtet werden.

 

Für den nationalen Grenzschutz ist grundsätzlich die Bundespolizei zuständig; der zusätzliche Einsatz von Landespolizisten ist juristisch problematisch, deshalb ist das Vorgehen von Bayerns Regierung umstritten. Der Freistaat habe „keine Gesetzgebungskompetenz“ für das materielle Grenzschutzrecht, also etwa für Passkontrollen, heißt es im Gutachten eines Staatsrechtlers für die Grünen-Bundesfraktion. Dem Freistaat komme „keinerlei Verwaltungskompetenz für den Bereich des Grenzschutzes“ zu. „Die Errichtung einer bayerischen Grenzpolizei mit den ihr parallel zur Bundespolizei zugewiesenen Aufgaben und Befugnissen untergräbt die föderale Kompetenzverteilung im Bereich des Grenzschutzes.“

 

Diesem Tenor widerspricht Ulrich Vosgerau, Privatdozent für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht an der Universität Köln. Zwar stimme die Prämisse, dass ein Bundesland niemals die Kompetenz für die Grenzkontrolle haben könne. Doch eine Landesgrenzpolizei wäre nur dann verfassungswidrig, wenn diese mit der Bundespolizei konkurrieren oder diese gar ersetzen sollte. „Was sehr wohl zulässig ist, ist die institutionalisierte Amtshilfe“, betonte Vosgerau in der Anhörung des Landtags. Der Jurist skizzierte auch, was auf die Grenzsicherung in Europa zukommen könnte: Er sehe ein „beängstigendes Bevölkerungswachstum in Afrika“, und in wenigen Jahren werde im Nahen Osten das Trinkwasser knapp. Dann befürchtet Vosgerau„dramatische Wanderungsbewegungen“.

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