Seehofer: "Habe noch nie so viel gearbeitet"
Berlin (N-Tv) - Die Opposition spricht von einem "verlorenen Jahr", auch aus der CDU kommt Kritik. Doch Bundesinnenminister Horst Seehofer zieht ein Jahr nach seinem Amtsantritt eine durchweg positive Bilanz. Selbstkritik: Fehlanzeige. Dass ihm für seine Idee, abgelehnte Asylbewerber vor einer geplanten Abschiebung in Gefängnissen unterzubringen, jetzt sogar Landesjustizminister mit CDU-Parteibuch die Gefolgschaft verweigern, ficht den früheren CSU-Chef nicht an. Er sieht kein Problem, weil Ausreisepflichtige und Straftäter nicht zusammen untergebracht werden sollten, sondern in getrennten Bereichen "auf dem gleichen Gelände".
Seehofer sagte am Rande einer Sitzung des Innenausschusses im Bundestag: "Ein so arbeitsreiches Jahr wie seit dem März letzten Jahres habe ich noch nie absolviert, und die Ergebnisse sind sehr gut." Er befinde sich aktuell sogar in einer "ausgesprochenen Wohlfühlphase" seines politischen Lebens. Mit dem Baukindergeld, der besseren Steuerung von Migration und Plänen für die Ansiedlung von Bundesbehörden in strukturschwachen Regionen habe sein Ministerium im ersten Jahr gute Arbeit geleistet. Auch in Sachen Cybersicherheit seien die ihm unterstellten Behörden gut aufgestellt.
Kritiker bemängeln überflüssige Debatten
Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic sieht dagegen große Versäumnisse - insbesondere bei der Integration und in puncto IT-Sicherheit. "Das erste Jahr ist nun mal verloren, das muss man einfach so sehen. Und was danach kommt, da bin ich wirklich sehr gespannt." Seehofer habe vor allem überflüssige Debatten über den Islam und Zurückweisungen von Migranten an der Grenze zu Österreich angezettelt, kritisierte Innenausschuss-Mitglied Konstantin Kuhle von der FDP.
Auch Unionsinnenexperte Mathias Middelberg beklagte eine gewisse Verzögerung: "Im Grunde hängen wir ein paar Monate hinterher, durch diese tatsächlich nicht sehr fruchtbare Diskussion, die wir vor der Sommerpause hatten." Mit dem Gesetz für eine bessere Durchsetzung der Ausreisepflicht abgelehnter Asylbewerber und dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz wäre man ohne diese Debatte zügiger vorangekommen.
Einige Innenpolitiker sagen, erst seit Seehofer im Januar den CSU-Vorsitz abgegeben habe, widme er sich mit ausreichender Energie seiner Aufgabe als Minister. Das will Seehofer nicht gelten lassen. Dennoch räumt er ein: "Das ist schon eine sehr, sehr starke Entlastung in meinem Tageswerk." Fest steht auf jeden Fall: So reibungslos wie in der zurückliegenden Regierung, als Thomas de Maizière Innenminister und Heiko Maas Justizminister waren, läuft es im Moment zwischen Seehofer und den SPD-geführten Ministerien nicht. Auch wenn die Schuld dafür vielleicht nicht in jedem Fall der Innenminister trägt.
Gesetzentwürfe aus der Mottenkiste
Erst vor einigen Tagen hatte das Bundesinnenministerium das Ressort von SPD-Justizministerin Katarina Barleyaufgefordert, jetzt doch bitte "zügig" zu seinem Referentenentwurf zum Pass-Entzug für Kämpfer der IS-Terrormiliz Stellung zu nehmen. Seehofers Entwurf für eine verbesserte Durchsetzung der Ausreisepflicht abgelehnter Asylbewerber findet der Koalitionspartner SPD jedoch kritikwürdig. SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka sagt, Seehofer sei in den ersten Monaten nach Amtsantritt das "Enfant terrible" der Bundesregierung gewesen und habe alle "mit vielen unnützen Streitigkeiten" in Atem gehalten. Nach diesem "holprigen Start" sei es dann aber besser geworden - auch wenn in seinen Entwürfen für neue Gesetze immer wieder Vorschläge aus der Mottenkiste auftauchten, die von der SPD dann wieder herausverhandelt werden müssten.
Bei den Abschiebungen, die nicht nur Seehofer ein echtes Anliegen sind, fordert Lischka, sich - anstatt neue Gesetze zu produzieren - mit den Dingen zu beschäftigen, "wo wir tatsächlich Probleme haben". Beispielsweise könne Seehofer neue Rückführungsabkommen mit den Herkunftsländern abgelehnter Asylbewerber schließen. Dass die Union auf das "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" verzichten wird, ist allerdings nicht zu erwarten. Seehofer erklärt, höhere Abschiebequoten seien ohne eine Gesetzesänderung nicht möglich.