9/11-Terrorhelfer bekam 7000€ von der Stadt Hamburg
Hamburg (Welt) - In den Mittagsstunden des 15. Oktober 2018 spaziert der verurteilte „9/11“-Terrorhelfer Mounir al-Motassadeq aus der Hamburger JVA Fuhlsbüttel. Gesichert in Handschellen und Fußfesseln, links und rechts von ihm zwei schwer bewaffnete Elitepolizisten, um ihn herum weitere Spezialkräfte. Wenige Stunden später wird der Marokkaner in sein Heimatland abgeschoben – im Gepäck hat der 44-Jährige einen prall gefüllten Umschlag mit 7194,43 Euro in bar.
Warum ihm das Geld trotz einer EU-Sanktionsverordnung ausgezahlt wurde, ist seit Wochen Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen. Hinweise darauf, wie es zu der Panne kam, deutet nun die Senatsantwort auf zwei Kleine Anfragen der Opposition an.
Mitte der 1990er-Jahre lernte Motassadeq hierzulande den Ägypter Mohammed Atta kennen – einen der Attentäter vom 11. September 2001. Im November 2001 wurde Motassadeqfestgenommen, im Oktober 2002 begann das Verfahren vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht. Fünf Jahre später verurteilte ihn das Gericht zu 15 Jahren Haft. Wegen Beihilfe zum Mord an den 246 Passagieren der am Tag der Attentate abgestürzten Flugzeuge und wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.
So informierte die Justizbehörde über die EU-Sanktionsverordnung
Hinter Gittern hat sich der Marokkaner auf seinem Häftlingskonto die 7194,43 Euro angespart – Geld, das jedem Verurteilten bei seiner Entlassung ausgezahlt wird. Normalerweise, denn im Mai 2002 trat die EU-Verordnung 881/2002 in Kraft, wonach Gelder von Personen mit Verbindung zum Al-Quaida-Netzwerk eingefroren werden. Auf dieser Liste steht auch der Name Mounir al-Motassadeq.
Über den Umgang mit den Sanktionen zur Terrorbekämpfung wurden alle Hamburger Gefängnisse „mit Schreiben der Justizbehörde vom 19. Januar 2007 unterrichtet“, wie Rot-Grün auf eine Anfrage der FDP-Fraktionschefin Anna von Treuenfels-Frowein antwortet. Daraus schließt die Liberale, dass es die Justizbehörde „ganze zwölf Jahre lang nicht für nötig befunden hat“, die Anstalten „über aktuelle Fortentwicklungen“ zu informieren – oder im Fall der Entlassung von Motassadeq erneut auf die Verordnung hinzuweisen.
Das zeige „mal wieder deutlich“, dass Justizsenator Till Steffen (Grüne) seinen Aufgaben nicht gewachsen sei. „Kein Wunder, dass diese eklatante Nachlässigkeit am Schluss zur Auszahlung von mehr als 7000 Euro“ an den Terrorhelfer geführt habe, betont Treuenfels-Frowein und fügt hinzu: „Dies ist besonders bedenklich, weil nicht auszuschließen ist, dass das Geld als Anschubfinanzierung für weitere terroristische Planungen verwendet wird.“
Wer trägt die Verantwortung: Innen- oder Justizbehörde?
Aufgefallen war die Auszahlungspanne, nachdem die Deutsche Bundesbank wenige Tage nach der Abschiebung von Motassadeq Anzeige wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz gestellt hat. Gegenstand der staatsanwaltlichen Ermittlungen ist „die Frage, ob ein strafrechtlich relevantes Verhalten der an verschiedenen Stellen an der Auszahlung und Weitergabe des Kontoguthabens beteiligten Personen vorgelegen hat“, erklärt Rot-Grün. Klärungsbedürftig sei zudem, „durch wen und in welcher Höhe gegebenenfalls Gelder“ an Motassadeq gelangt seien. „Um den Untersuchungszweck nicht zu gefährden“, könne der Senat derzeit keine weiteren Angaben machen.
In der Senatsantwort auf eine CDU-Anfrage schreibt Rot-Grün, dass all jene Behörden für die Einhaltung der EU-Verordnung 881/2002 verantwortlich sind, die mit den jeweiligen Personen in Kontakt stehen. Im Fall Motassadeqschließt das neben der Justiz- auch die Innenbehörde von Senator Andy Grote (SPD) ein. Seither schieben sich beide Ressorts gegenseitig die Schuld in die Schuhe: Wie die „Bild“ berichtet, sind die 7194,43 Euro laut Justizbehörde bei der Entlassung in einem Umschlag an einen Polizisten übergeben worden – mit der beschrifteten Anweisung, das Geld nicht an Motassadeq zu übergeben. Die Innenbehörde indes spricht von einem Umschlag „ohne entsprechenden Hinweis“.
FDP-Fraktionschefin Treuenfels-Frowein zufolge darf sich Justizsenator Steffen nicht herausreden: „Er muss dringend dafür sorgen, dass sich ein solcher Vorfall niemals wiederholt.“ Sollten die zuständigen Ausschüsse in der Bürgerschaft weitere Informationen zu dem Fall wünschen, will Rot-Grün möglicherweise am 4. April Auskunft geben – ohne die Ermittlung zu gefährden.