Konservative in der Union fordern Merkel zum Rücktritt auf
Montag 11.März.2019 - 04:20
Berlin (Dpa) - Kurz vor dem Koalitionsgipfel von CDU, CSU und SPD an diesem Donnerstag hat die Werteunion, eine besonders konservative Gruppe von Unionspolitikern, offen für einen baldigen Wechsel im Kanzleramt plädiert. „Es wäre für die Union das Beste, wenn Frau Merkel ihr Amt geordnet und möglichst bald an AKK übergibt“, sagte der Vorsitzende Alexander Mitsch der „Passauer Neuen Presse“. Die CDU-Chefin könne dann mit einem erneuerten Kabinett den notwendigen Politikwechsel für Deutschland einleiten, besonders in der Einwanderungs- und Wirtschaftspolitik.
Mitsch sagte, große Bedeutung über die Zukunft der Koalition komme den Wahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen im Herbst zu. „Ich gehe davon aus, dass die SPD spätestens nach den Landtagswahlen im Osten panikartig die Koalition verlassen wird. Die CDU muss sich darauf vorbereiten und sollte proaktiv den Wechsel im Kanzleramt betreiben.“
Spitzenpolitiker der Union haben derweil Spekulationen über einen vorzeitigen Bruch der Bundesregierung scharf kritisiert. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt formulierte in der „Bild“ in Richtung der Sozialdemokraten: „Vertrauen gewinnt man mit guter Arbeit, nicht mit Diskussionen über das Ende der Koalition und der Flucht aus der Verantwortung.“ Auch die SPD solle die Erfolge der Regierungsarbeit selbstbewusst vertreten, „anstatt ständig Debatten über ein frühzeitiges Ende der Koalition anzuzetteln“.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte dem „Münchner Merkur“, Debatten über einen Koalitionsbruch kämen „immer nur aus der SPD“. „Die Koalition ist jetzt gerade mal ein Jahr im Amt. Nach einer Regierungsbildung, die sich so lange hingezogen hat wie nie zuvor, haben die Bürger Anspruch darauf, dass wir Probleme lösen und ihr Leben konkret besser machen, statt dauernd taktisch zu diskutieren.“
Auch mehrere Ministerpräsidenten der CDU warfen der SPD vor, eine sinnlose Debatte zu befeuern. Die Frage nach einem vorzeitigen Rückzug von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stelle sich nicht. Das Verhalten führender Sozialdemokraten sei „unverständlich, unverantwortlich und koalitionsschädigend“, sagte der saarländische Regierungschef Tobias Hans (CDU) der Funke-Mediengruppe.
Hans kritisierte, man habe mehr und mehr den Eindruck, dass sich die SPD als Regierungspartner auf die Zeit der Opposition vorbereite. „Anders ist die vom Zaun gebrochene Diskussion und der angedrohte Amoklauf einiger Sozialdemokraten im Bund nicht zu verstehen.“ Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagte der Funke-Mediengruppe: „Ich kenne in Union und SPD niemanden, der über so ein Szenario ernsthaft nachdenkt.“ Auch Hessens Regierungschef Volker Bouffier (CDU) sprach von einer „überflüssigen Diskussion“.
Auch bei den Wählern käme ein Wechsel wohl nicht gut an. Im aktuellen RTL/n-tv-Trendbarometer äußern zwei Drittel der Wahlberechtigten (67%) den Wunsch, dass Merkel bis zum Ende der Legislaturperiode im Herbst 2021 regiert. Nur 29 Prozent der Befragten wollen, dass die Regierungschefin vorzeitig geht. Damit ist der Wunsch der Bundesbürger, Merkel als Kanzlerin zu behalten, seit dem Februar 2018 um 12 Prozentpunkte gestiegen. Nach dem damaligen Ende der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD wollten „nur“ 55 Prozent der Deutschen, dass Merkel bis 2021 im Amt bleibt. Die größte Zustimmung erhält Merkel bei den Anhängern von CDU und Grünen (je 80%) sowie der SPD (78%). Auch die Anhänger von Linken und FDP stehen mehrheitlich hinter Merkel (je 73%). 68 Prozent der CSU-Anhänger wollen ebenfalls, dass sie die Regierungsgeschäfte bis zum Schluss führt. Lediglich die Anhänger der AfD sind mehrheitlich (75%) für eine vorzeitige Ablösung.
Die Diskussion über einen Koalitionsbruch war am Freitag von einzelnen SPD-Politikern ausgelöst worden. Sie hatten mit dem Ende der Regierung gedroht, falls die Union versuchen sollte, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor dem Ende der Wahlperiode durch CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer zu ersetzen.
Geplante Provokation?
Inhaltlich stoßen in der Union vor allem die jüngsten sozialpolitischen SPD-Versprechen auf Kritik. Die Sozialdemokraten hatten sich beispielsweise für eine Grundrente ohne vorgelagerte Bedürftigkeitsprüfung ausgesprochen. Bei einer solchen würde der Staat untersuchen, ob mögliche Bezieher dieser Rentenaufwertung eine solche auch wirklich benötigen. Durch diesen Schritt – den die Union verlangt – würden weitaus weniger Menschen eine Grundrente bekommen.
Spahn sagte: „Ich denke, die Menschen haben ein feines Gespür, dass die SPD allen alles verspricht, ohne zu sagen, wie sie es finanzieren will.“ Dobrindt monierte, die SPD arbeite sich „verdächtig nah an die Linkspartei“ heran. „Das ist mehr als ein Linksruck, da ist eine Flucht nach links zu spüren.“ Der Vorstoß für eine Grundrente ohne Bedarfsprüfung sei eine gezielte Provokation zur Herbeiführung eines Rentenstreits.
Differenzen zwischen Union und SPD zeigen sich auch in der Europapolitik. So reagierten führende SPD-Politiker am Sonntag enttäuscht auf das Konzept, das Kramp-Karrenbauer den jüngsten Reformvorschlägen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron für die Europäische Union entgegensetzen will. „Wir wünschen uns etwas mehr Mut bei dieser Debatte“, sagte Außenminister Heiko Maas (SPD) im ARD-„Bericht aus Berlin“.