Merkel freut sich über pro-europäische Vorschläge
Berlin (Tagesspiegel)- Jetzt spricht die Kanzlerin doch. Jedenfalls lässt ihr Sprecher wissen, dass Angela Merkel (CDU) die Bereitschaft des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu Änderungen an den Europäischen Verträgen im Rahmen einer EU-Reform begrüße. Es freue die Bundesregierung, dass nun auch Macron der Meinung sei, „dass da, wo es nötig ist, Europäische Verträge auch geändert werden sollen“, sagte Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. Seit langem sei es Haltung der Kanzlerin und der Regierung, „dass es da kein Tabu der Vertragsänderung geben darf“.
Zu einzelnen Vorschlägen Macrons wollte sich Seibert nicht konkret äußern. Es sei nicht Sinn eines wie von Macronveröffentlichten Artikels, dass dieser am Tag darauf in jedem Detail seziert werde. Die Bundesregierung begrüße, „dass der französische Präsident seine Vorstellungen in die Debatte einbringt“. Wenn es um die Programmatik für die Europawahl am 26. Mai gehe, müssten aber die jeweiligen Parteifamilien dazu Stellung nehmen.
Es gebe aber eine ganze Reihe von Punkten Macrons, die die Bundesregierung unterstütze. Seibert nannte den Gedanken eines europäischen Sicherheitsrats, die Stärkung der europäischen Verteidigungspolitik, ein gemeinsames Verständnis der Asyl- und Migrationspolitik sowie die Betonung der Innovationsfähigkeit als Voraussetzung für Wohlstand.
Auf die Frage, ob Merkel über den Brief Macrons informiert gewesen sei, sagte Seibert, die Kanzlerin habe am Mittwoch vor einer Woche in Paris ausführlich mit Macron über Europa gesprochen. Es sei daher keine Überraschung gewesen, dass sich Macron im März zu Beginn des Europawahlkampfes mit einem großen Aufschlag zu Wort melde. Macron hatte sich in einem Gastbeitrag, der am Dienstag in großen Tageszeitungen der 28 EU-Mitgliedsländer erschien, an die Bürger der Europäischen Union gewandt und knapp drei Monate vor der Europawahl tiefgreifende Reformen gefordert.
Barley: Macron versteht, was Solidarität bedeutet
Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl am 26. Mai, Katarina Barley, sagte in ihrer Aschermittwochsrede im bayerischen Vilshofen, Macron habe "verstanden, was Solidarität in Europa bedeutet". Er stelle die richtigen Fragen, etwa nach einem europäischen Mindestlohn und wie Europa für alle da sein könne, sagte Barley. Sie pochte auch auf eine Distanzierung der Union von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, mit dem CDU und CSU in der Europäischen Volkspartei (EVP) zusammenarbeiten.
Lobend über Macron äußerte sich auch Grünen-Chef Robert Habeck. "Um bestimmte Probleme überhaupt lösen zu können, brauchen wir größere Strukturen als Nationalstaaten", betonte er in der "Heilbronner Stimme" die Bedeutung der EU.
"Macron liefert ein Sammelsurium an Überschriften und sieht Europa für fast alle Bereiche zuständig", kritisierte dagegen der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU) in der "Rheinischen Post". "Wir brauchen aber keine neuen Agenturen, Institutionen und Räte."
"Macron spricht von Freiheit, meint jedoch mehr Institutionen, Bürokratie und Protektionismus", warf auch der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, dem französischen Präsidenten vor.
Kritik kommt vom Wirtschaftsrat der CDU
Am Dienstag hatte die Bundesregierung lediglich den Macron-Aufruf begrüßt, sich aber nicht inhaltlich positioniert. Der französische Präsident will unter anderem eine "europäische Agentur für den Schutz der Demokratie gründen" und die Finanzierung politischer Parteien durch Drittstaaten verbieten. Mit Blick auf die Reisefreiheit im sogenannten Schengen-Raum erklärte er: Alle Mitgliedsstaaten sollten "strengen Grenzkontrollen" und einer gemeinsamen Asylpolitik zustimmen. Zudem fordert er höhere Militärausgaben. "Wir dürfen nicht Schlafwandler in einem erschlafften Europa sein", warnte er und verwies auf den Brexit und nationalistische Kräfte.
Kritik kam vom Wirtschaftsrat der CDU: "MacronsVorstellungen von Europa sind durch Vorschriften, Verbote, Protektionismus und neue Institutionen geprägt. Europa braucht nicht noch mehr durch EU-Institutionen verordnete Innovations-, Industrie- und Investitionspolitiken oder andere Transfers." (dpa/rtr)