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„Erdogan will auch in Deutschland eine Atmosphäre der Angst verbreiten“

Mittwoch 06.März.2019 - 09:05
Die Referenz
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Berlin (Welt) - Ankara hat Berichte, wonach Deutsche bei der Einreise in die Türkei gefährdet seien, als „haltlos“ zurückgewiesen. Entsprechende Aussagen des türkischen Innenministers Süleyman Soylu seien „eindeutig aus dem Zusammenhang gerissen und verzerrt“, teilte das türkische Außenministerium am Dienstagabend mit. Touristen aus Deutschland und allen anderen Ländern seien in der Türkei nach wie vor willkommen.

 

Mehrere Zeitungen hatten zuvor berichtet, Urlauber aus Deutschland, die als Regierungsgegner in der Türkei gelten, könnten bei der Einreise festgenommen werden. Hintergrund ist eine Rede Soylus von Sonntag. Er hatte nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu in Ankara gesagt: „Da gibt es jene, die in Europa und in Deutschland an den Veranstaltungen der Terrororganisation teilnehmen und dann in Antalya, Bodrum und Mugla urlauben.“ Man habe auch für sie „Maßnahmen“ ergriffen. „Sollen sie doch herkommen und von den Flughäfen aus einreisen. Wir nehmen sie fest und auf!“ Weiter sagte er: „Von nun an wird es nicht mehr so einfach sein, draußen Verrat zu begehen und sich dann in der Türkei zu amüsieren.“

 

Der deutschtürkische Abgeordnete und Erdogan-Berater Mustafa Yeneroglu schrieb auf Twitter, wer Terrororganisationen wie die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK unterstütze, müsse wie auch in anderen Ländern mit einer Strafverfolgung rechnen. „Nicht deutsche Urlauber, nicht Regierungsgegner, sondern solche, die aufgrund von Straftaten gesucht werden, sind betroffen.“ Die PKK wird in der Türkei und der EU als Terrororganisation eingestuft. Er warf der ARD, die über Soylus Rede berichtete, „Propaganda“ vor.

 

Mehrere deutsche Politiker hatten entsetzt auf die Berichte reagiert. Es sei „inakzeptabel, wenn die Türkei in Deutschland mit nachrichtendienstlichen Mitteln auch deutsche Staatsbürger ausspioniert und deren staatsbürgerliche Freiheiten in Deutschland einschränken will“, sagte der Vizefraktionsvorsitzende der Union im Bundestag, Thorsten Frei, den „Stuttgarter Nachrichten“.

 

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir nannte die Äußerung auf Twitter einen weiteren Affront aus der Türkei. „Jetzt will Erdogan auch in Deutschland eine Atmosphäre der Angst verbreiten“, schrieb er. Die Beschwichtigungspolitik der Bundesregierung Richtung Erdogan sei gescheitert. Die Türkei hatte gerade erst mehreren deutschen Journalisten die Akkreditierung verweigert.

 

Drohungen entbehrten „jeder rechtsstaatlichen Grundlage“

 

„Man muss ihnen Grenzen aufzeigen. Es ist schlimm genug, dass es in der Türkei dieses Regime der Angst gibt, aber in Deutschland hat es nichts verloren.“ Täglich werde versucht, Angst in türkische Vereine hereinzutragen, so Özdemir im ARD-„Morgenmagazin“.

 

Der innenpolitische Sprecher der SPD, Burkhard Lischka, sagte den „Stuttgarter Nachrichten“, die PKK sei eine in Deutschland verbotene Organisation. „Wer sie unterstützt, macht sich strafbar. Ob eine solche strafbare Handlung vorliegt oder nicht, klären deutsche Gerichte und nicht eine politisch von Ankara gesteuerte Justiz in der Türkei.“ Die Drohungen entbehrten „jeder rechtsstaatlichen Grundlage“.

 

Am Morgen hatte die Reisemesse ITB in Berlin begonnen. Nach Angaben von Reiseveranstaltern sind für diesen Sommer Reiseziele in der Türkei besonders gefragt. Allerdings: Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller erinnert Urlauber zum Auftakt der Messe an die politische Dimension ihres Urlaubs. „Reisen ist heute längst politisch“, teilte der SPD-Politiker am Dienstag mit. „Immer mehr Urlauber fühlen sich abgestoßen, wenn Regimes Freiheits- und Menschenrechte missachten.“

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