Herausgegeben vom CEMO Centre - Paris
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Steinmeier beklagt einen „grassierenden Verlust an Vernunft“ in in unserer Gesellschaft

Dienstag 05.März.2019 - 09:54
Die Referenz
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Berlin (Welt) - Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat einen „grassierenden Verlust an Vernunft“ in der heutigen Zeit beklagt, der zur Gefahr für die Demokratie werde. „Die Zersetzung der Vernunft ist der Anfang der Zersetzung der Demokratie“, sagte er am Dienstag nach einem vorab verbreiteten Redemanuskript in seiner Fritz Stern Lecture2019 in der American Academy in Berlin.

 

Er beklagte, dass vielfach eine „neue Faszination des Autoritären“ spürbar sei. Eine „wütende Sehnsucht nach Sündenböcken“ und einfachen Antworten würden den komplexen Problemen aber nicht gerecht.

 

Steinmeier wies in seiner Würdigung des 2016 gestorbenen deutsch-amerikanischen Historikers und Publizisten darauf hin, dass dieser Angst vor der „Verachtung der Vernunft“ gehabt habe, „die wir heute in vielen Teilen der Welt und auch bei uns zuhause beobachten“. Diese sei ein Warnsignal.

 

Steinmeier äußerte Verständnis für den Wunsch nach Heimat und Zugehörigkeit in einer entgrenzten, globalisierten Welt. Das sei kein „Nebenbei-Bedürfnis“, sondern für den Menschen lebenswichtig. Allerdings dürfe dies nicht in Ausgrenzung oder Verklärung der Vergangenheit umschlagen.

 

Eine große Herausforderung sieht Steinmeier in der rasanten Veränderung der Kommunikation und des Informationsverhaltens. Er warnte, Häme, Hass und Härte vieler Online-Kommentare gingen an der Gesellschaft nicht spurlos vorüber. „Sie tragen zu einer Radikalisierung in unserem demokratischen System bei.“ Hinzu komme das Phänomen einer durch technische Hilfsmittel oder auch von außen manipulierten Debatte. „Die bloße Abbildung und Verstärkung von Stimmungen – ob aus individueller Neigung oder aus manipulativen politischen Interessen – ist eine wirklich Gefahr unseres digitalen Zeitalters.“

 

Steinmeier: „Alles um uns herum ändert sich“

 

„Der geschärfte Verstand ist die beste Versicherung gegen Manipulation und Manipulierbarkeit“, betonte Steinmeier, der in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Medien hervorhob. Ein unabhängiger professioneller Journalismus habe eine große Verantwortung für die Kraft der Vernunft in der Gesellschaft. „Damit meine ich nicht jene Medien, die Nachrichten selbst fabrizieren und inszenieren, sondern einen Journalismus, der die politische Urteilskraft unserer Gesellschaften durch Objektivität, Kontextualisierung und Weitblick stärkt.“

 

Steinmeier mahnte Geduld mit der Demokratie an, auch wenn diese manchen Zeitgenossen zu schwerfällig erscheine. „Sie ist eine langsame, bedächtige, aber eben auch eine nachhaltige Staatsform, vielleicht die einzige, die Freiheit ermöglicht und Freiheit schützt.“ Allerdings müsse auch die Demokratie Bereitschaft zur Veränderung zeigen. „Hüten wir uns davor, unsere Regierungsform allzu statisch zu sehen. Es reicht nicht, nur defensiv den Status quo zu verteidigen. Alles um uns herum verändert sich. Auch politische Systeme. Wenn wir sie erhalten wollen, müssen wir die Demokratie auch im Futur denken.“

 

 

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