Brexit führt zu Rekord bei Einbürgerungen der Briten in Hamburg
Hamburg (Hamburger Abendblatt) - Knapp einen Monat vor dem angepeilten Austritt Großbritanniens aus der EU steuert die Zahl der Einbürgerungen von britischen Staatsangehörigen auf eine neue Rekordmarke zu: Mehr als 1000 Briten haben in Hamburg seit dem Tag des Referendums am 23. Juni 2016 bereits einen Einbürgerungsantrag gestellt.
Laut Melderegister haben exakt 6596 Menschen mit britischer Staatsangehörigkeit in der Stadt ihren Hauptwohnsitz. Deutlich mehr als die Hälfte dieser Gruppe – 3719 Männer, Frauen und Kinder – besitzen bislang ausschließlich die britische Staatsangehörigkeit. Einen deutschen und britischen Pass haben 2481 hier lebende Briten. Weitere 77 britische Staatsbürger besitzen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedsstaates.
FDP fordert bessere Vorbereitung der Behörden
Die Zahlen hat der Senat in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bürgerschaftsabgeordneten Christel Nicolaysen und Michael Kruse mitgeteilt. Wie groß das Interesse britischer Staatsbürger an einer Einbürgerung ist, belegt auch, dass im Januar 13,4 Prozent aller Beratungsgespräche und Antragstellungen zu diesem Thema von Briten kamen. Grundsätzlich gilt: Wer zusätzlich zur britischen die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben will, muss bis zum tatsächlichen EU-Austritt Großbritanniens einen vollständigen Antrag gestellt haben. So sieht es die geplante bundesgesetzliche Übergangsregelung vor.
Die FDP-Abgeordnete Nicolaysen kritisiert, dass die entsprechenden Dienststellen nicht ausreichend personell ausgestattet sind. „Den in Hamburg lebenden rund 6600 Briten muss schnell und unbürokratisch bei ihren Fragen und Problemen rund um den Brexit geholfen werden“, sagte Nicolaysen. Die Menschen brauchten Klarheit und Rechtssicherheit für ihr Leben in Deutschland. „Der Senat muss entsprechende Kapazitäten vorhalten. Das ist bisher nicht der Fall“, sagte die Liberale.
1901 Beschäftigte aus Großbritannien hier tätig
Laut Nicolaysen gelte das besonders für die bezirklichen Ausländerdienststellen und das Einwohner-Zentralamt, auf die sich „der zu erwartende Ansturm Tausender Fragen stellender Bürger“ im Falle eines ungeregelten Brexits konzentriere. „Es fehlen zum Beispiel Informationen über mögliche aufenthaltsrechtliche Sondervereinbarungen“, sagte die FDP-Politikerin. Der Senat hatte in seiner Antwort mitgeteilt, dass die Überlegungen, wie sich die Ausländerdienststellen auf den Brexit-Fall vorbereiteten, noch nicht abgeschlossen seien.
Nach Angaben des Senats arbeiteten Mitte 2018 genau 1901 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte aus Großbritannien in Hamburg, von denen 675 als Fachkräfte registriert sind. Insgesamt 158 junge Männer und Frauen mit britischem Pass studieren im Wintersemester 2018/19 an einer der Hamburger Hochschulen. Der Löwenanteil entfällt auf die Universität mit 105 Studierenden und 23 Promovierenden.
Kooperationen bestehen zwischen vielen Hochschulen
Die internationale Verflechtung von Wissenschaft und Forschung führt dazu, dass auch zwischen fast allen Hamburger Hochschulen und britischen Forschungseinrichtungen Kooperationen bestehen. Die Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) hat zum Beispiel eine Partnerschaft mit der Manchester Metropolitan University.
Großbritannien ist im März 2018 dem Röntgenlaser European XFEL beigetreten. Rund 30 britische Forscher arbeiten dort mittlerweile, hinzu kommen zwischen 50 und 200 Gastforscher aus dem Königreich.
Großbritannien auf Platz fünf bei den Einbürgerungen
Bislang kaum beachtet sind die Auswirkungen, die der Brexitauf den Rechtsstandort Hamburg haben könnte. Londons führende Rolle als Gerichtsstandort für internationale Prozesse könnte gefährdet sein, falls britische Urteile ihre Bindungswirkung auf das europäische Festland verlieren sollten. Hamburg bemüht sich bereits seit Längerem, sich als Standort für internationale Schiedsverfahren zu etablieren.
Seit der Brexit-Entscheidung ist die Zahl der erfolgten Einbürgerungen britischer Staatsangehöriger in Hamburg sprunghaft angestiegen. Gab es vor 2016 lediglich zwischen 30 und 50 Einbürgerungen pro Jahr, so stieg die Zahl 2016 bereits auf 124 und lag 2017 mit 373 und 2018 mit 308 schließlich um ein Vielfaches höher. Großbritannien steht damit aktuell auf Platz fünf der Liste der Herkunftsländer nach Afghanistan (780 Einbürgerungen), Türkei (597), Polen (395) und dem Iran (385).