Europaparlament plant Ende der Zeitumstellung im Jahr 2021
Berlin (Welt) - In vier Wochen, in der Nacht zum 31. März, werden die Uhren in der EU auf Sommerzeit gestellt – und anders als von der Brüsseler Kommission erhofft, wird es nicht das letzte Mal sein. Gegner des Wechsels von Winter- auf Sommerzeit müssen weiter warten, denn vermutlich kommt die angekündigte Zeitreform auch 2020 noch nicht. Als frühestes Datum zeichnet sich mittlerweile das Jahr 2021 ab – wenn überhaupt.
Denn wie es gelingen soll, das Ende der Zeitumstellung so über die Bühne zu bekommen, dass kein chaotischer Flickenteppich aus unterschiedlichsten Zeitzonen in Europa entsteht, ist noch völlig unklar. Jedes Land soll selbst entscheiden können, ob es seine Uhren auf ewige Sommer- oder Winterzeit einstellt. Doch bisher fehlen Vorschläge, wie verhindert werden könnte, dass etwa ein Lastwagenfahrer auf dem Weg von Schweden nach Portugal achtmal die Uhr verstellen muss.
Eigentlich sollte schon in diesem Jahr Schluss sein
Das Europaparlament will nun jedoch zumindest sicherstellen, dass das diffizile Thema nicht klammheimlich wieder ganz in der Versenkung verschwindet. Der federführende Verkehrsausschuss stimmt am 4. März über einen Vorschlag ab, der als Diskussionsgrundlage dienen soll und dann Ende März oder Anfang April im Plenum des EU-Parlaments debattiert wird. Damit beginnt der langwierige Abstimmungsprozess in der EU aber erst. Im EU-Rat, der Vertretung der Mitgliedsländer, dürfte es frühestens durch die finnische Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte weitere Bemühungen geben, eine gemeinsame Verhandlungsposition zu finden.
Dabei war alles sehr viel ehrgeiziger geplant. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte im September 2018 vorgeschlagen, die Zeitreform so schnell wie möglich umzusetzen, möglichst sogar noch vor der Europawahl. Seinen Vorstoß stützte er auf eine Online-Befragung vom Sommer, bei der 84 Prozent für das Ende der Umstellung stimmten. 4,6 Millionen Europäer hatten abgestimmt, unter ihnen drei Millionen Deutsche. Das war zwar mitnichten repräsentativ. Juncker verkündete trotzdem: „Die Leute wollen das, also machen wir das.“
Doch einige EU-Länder traten umgehend voll auf die Bremse, mehrere forderten eine ausführliche Folgenabschätzung ein. Ärzte und Wirtschaftsvertreter warnten vor überhasteten Entscheidungen, Logistikkonzerne, Fluggesellschaften und Bahnbetriebe verlangten mehr Zeit für die Vorbereitung. Die österreichische EU-Ratspräsidentschaft legte das Thema daher Ende 2018 auf Eis. Und für die amtierende rumänische EU-Ratspräsidentschaft hat die Zeitumstellung keine hohe Priorität.
Ein Koordinationsmechanismus soll Chaos verhindern
Aber immerhin gibt es mit dem Vorschlag des Verkehrsausschusses nun eine Diskussionsgrundlage. Er sieht vor, dass die Uhren 2021 das letzte Mal vor- oder zurückgedreht werden. Wichtig ist dem Parlament aber nicht der Termin allein. Der Gesetzesentwurf verlangt auch, dass ein Koordinationsmechanismus zwischen den Mitgliedstaaten geschaffen wird, bei dem die EU-Kommission eine wichtige Rolle übernimmt. Dieser soll ein Zeitchaos in Europa verhindern.
Alle EU-Staaten sollen der Kommission bis April 2020 mitteilen, für welche Zeitzone sie sich entscheiden möchten. Brüssel hätte dann bis Oktober 2020 Zeit, um für eine möglichst weitgehende Harmonisierung zu werben, womöglich angelehnt an die bisher bestehenden drei europäischen Zeitzonen. Im März 2021 würden die Uhren dann letztmalig eine Stunde vorgestellt. Und Ende Oktober 2021 würden alle Länder, die künftig für immer in „Normalzeit“, also der Winterzeit, leben möchte, ihre Uhren letztmalig zurückkorrigieren. Für die Sommerzeitländer würde sich nichts mehr ändern.
Er gehe davon aus, dass der Kompromiss im zuständigen Verkehrsausschuss eine „breite Mehrheit“ finden werde, sagte der stellvertretende Ausschussvorsitzende Dieter-Lebrecht Koch. Der CDU-Europaabgeordnete hätte zwar eine Umstellung noch vor 2021 favorisiert. „Die Mitgliedstaaten wünschen sich aber mehr Zeit, um die Umstellung besser vorbereiten und sich untereinander abstimmen zu können.“
Jeder Staat entscheidet anders
Die EU hat schon jetzt drei verschiedene Zeitzonen. Deutschland hat dieselbe Zeit wie 16 andere Staaten. Acht Länder, nämlich Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Finnland, Griechenland, Rumänien und Zypern, sind eine Stunde voraus. Irland, Portugal und Großbritannien liegen hingegen eine Stunde zurück, ebenso die Kanarischen Inseln.
Eine schwierige Frage ist, wie jeder Staat entscheidet, welche Zeitzone die richtige für ihn ist. Manche EU-Länder haben öffentliche Konsultationen gestartet, Frankreich etwa, das gerade eine Online-Befragung durchführt. Das Interesse daran ist allerdings gering, bisher haben nur 93.000 Menschen teilgenommen, und eine klare Präferenz von Sommer- oder Winterzeit zeigt sich offenbar im Abstimmungsverhalten nicht.
Andere Länder haben sich bereits für eine dauerhafte Sommerzeit ausgesprochen, darunter die Beneluxstaaten, Österreich und Deutschland. Die Slowakei hingegen würde die permanente Normalzeit bevorzugen, Portugal wiederum würde den Zeitenwechsel gern beibehalten. Auch in Griechenland gibt es Sympathie für die Zeitumstellung, ebenso in Großbritannien. Nach dem Brexit könnten die Briten sich dafür tatsächlich entscheiden. In der Folge hätte Nordirland über einige Monate im Jahr eine andere Uhrzeit als der Rest der Insel.
Mit Ende der Zeitumstellung gehen klare Vorteile verloren
Ein weiteres Problem: Die saisonale Zeitumstellung hat klare Vorteile, die künftig verloren gehen würden. So dämpft sie in der EU bisher Extreme. Würde dagegen beispielsweise in der mitteleuropäischen Zeitzone ganzjährig die Sommerzeit gelten, wäre es in Spanien im Winter bis kurz vor zehn Uhr dunkel. Würde man sich auf die Winterzeit einigen, würde es in Warschau im Sommer schon morgens um drei Uhr hell. Bisher können es Spanien und Polen daher in derselben Zeitzone aushalten. Fraglich ist, ob das künftig noch möglich sein wird.
Schlafforscher wie Till Roenneberg vom Institut für Medizinische Psychologie der Universität München warnen unterdessen vor schweren Problemen, sollte sich Deutschland tatsächlich für eine ganzjährige Sommerzeit entscheiden. Schulkinder und Berufstätige müssten dann an deutlich mehr Tagen im Jahr im Dunkeln aufstehen und ihren morgendlichen Weg zurücklegen. Das könne die Konzentration beeinträchtigen, die Fehlerquote erhöhen