Herausgegeben vom CEMO Centre - Paris
ad a b
ad ad ad

Kirchen erhielten seit dem Ende des zweiten Weltkrieges fast 20 Milliarden Euro vom Staat

Freitag 01.März.2019 - 06:01
Die Referenz
طباعة

Frankfurt (Faz) - Seit einem Jahrhundert sollen sie qua Verfassung abgeschafft werden – statt dessen steigen sie immer weiter: die historisch bedingten „Staatsleistungen“, die der Staat unabhängig von der Kirchensteuer an die Kirchen überweist. Wie die F.A.Z. von der kirchenkritischen Humanistischen Union erfuhr, sollen die Zahlungen in diesem Jahr nochmal um 2 Prozent steigen auf einen Rekordwert von 548,7 Millionen Euro.

 

Insgesamt erhielten die evangelische und die katholische Kirche seit dem Jahr 1949 fast 18,5 Milliarden Euro Staatsleistungen aus den Haushalten der Bundesländer. Das teilte Johann-Albrecht Haupt, Mitglied im Beirat der Humanistischen Union, dieser Zeitung auf Anfrage mit. Er hat die voraussichtlichen Zahlungen aus den Haushaltsplänen der Bundesländer mit den Kirchenkritikern Evelyn und Carsten Frerk zusammengestellt. Die Humanistische Union bestätigte am Nachmittag in einer Veröffentlichung die Angaben.

 

Von den 548,7 Millionen Euro erhielten die evangelische Kirche rund 320,4 Millionen Euro und die katholische Kirche 228,3 Millionen Euro. Je evangelischem Kirchenmitglied muss der Steuerzahler 14,88 Euro im Jahr aufbringen, je katholischem sind es 9,79 Euro. Besonders hoch ist der Aufwand in Bundesländern, in denen wesentlich weniger Bürger Mitglieder in den Kirchengemeinden sind. Sachsen-Anhalt bringt je Kirchenmitglied mehr als 101 Euro in die Staatsleistungen ein. In diesem Bundesland ist aber auch schon der Betrag überhaupt je Einwohner am höchsten (fast 16 Euro). Nordrhein-Westfalen zahlt je Kirchenmitglied etwa 2 Euro Staatsleistungen – je Einwohner sind es nur 1,28 Euro.

 

Die Staatsleistungen haben weder mit der Kirchensteuer etwas zu tun noch mit dem Geld, das der Staat für kirchlich erbrachte Dienstleistungen zahlt: also etwa für Arbeit in Altenheimen oder Kindergärten. Vielmehr geht es um Ansprüche der Kirchen als Ausgleich für Enteignungen nach dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803, zum Ende des Heiligen Römischen Reichs.

 

Dass Ansprüche bestehen, ist denn auch wenig umstritten. Was aber Kritik erregt, ist die Tatsache, dass die Staatsleistungen verfassungsgemäß abzulösen sind – und das seit nunmehr hundert Jahren. Denn die Weimarer Reichsverfassung forderte das 1919, und der entsprechende Artikel wurde ins Grundgesetz übernommen. Insofern können Gegner der Leistungen in diesem Jahr ein ihnen unwillkommenes Jubiläum begehen. Die Evangelische Kirche hat in der Vergangenheit eine Ablösung begrüßt – wobei dann eine „angemessene Abschlusszahlung“ fällig sei. Ähnlich hat es die katholische Kirche bewertet.

 

Die Staatsleistungen entstammen aus dem allgemeinen Steueraufkommen der Bundesländer; Bremen und Hamburg beteiligen sich nicht. Die Leistungsverpflichtung wächst kontinuierlich. Wofür die Kirchen das Geld verwenden, müssen sie nicht offenlegen. Die Deutsche Bischofskonferenz hat vornehmlich Aufwendungen für Personal und Gebäudeunterhalt genannt. Nach früheren Angaben der Evangelischen Kirche machen die Staatsleistungen im Mittel etwa ein Vierzigstel der Haushalte in den Landeskirchen aus. Weitaus wichtigster Posten ist die Kirchensteuer – die gar keine richtige Steuer ist; lediglich zieht der Staat das Geld von Kirchenmitgliedern für die Kirchen ein und lässt sich für diesen Dienst von den Kirchen bezahlen.

 

 

"