Applaus für Greta - Buhrufe für Merkel
Hamburg (Faz) - Vier Polizisten begleiten Greta Thunberg, als sie mit anderthalb Stunden Verspätung kommt. Sie verschwindet fast hinter ihnen mit ihren knapp 1,50 Meter Körpergröße. Die 16 Jahre alte Klimaaktivistin macht auf der Heimreise von Brüssel nach Stockholm einen Zwischenstopp in Hamburg. Es ist ihr erster Auftritt in Deutschland, und die Schüler und Studenten auf der „Fridays for Future“-Demonstration feiern sie wie einen Rockstar mit Sprechchören und „Stay Strong Greta“-Plakaten.
Zwei Hamburger Schüler haben eine Petition gestartet. „WeLove Greta“ heißt sie und richtet sich gegen den Hass, der der zierlichen Schwedin mit Asperger-Syndrom in den vergangenen Wochen entgegengeschlagen ist. Etwa 74.000 Menschen haben sie schon unterzeichnet. Thunberg lässt offen, was sie von der Petition hält.
Im Hamburger Rathaus bereitet sich Thunberg auf den Moment vor, in dem sie zusammen mit der deutschen Aktivistin Luisa Neubauer vor die Menge treten wird. Sie klammert sich ein bisschen zu fest an ihr Holzschild mit der Aufschrift „Skolstrejk for Klimastet“ (Schulstreik fürs Klima), das sie überallhin mitnimmt, aber sonst merkt man ihr keine Nervosität an. Aufrecht, in Jogginghose und Pudelmütze steht sie da, macht keinen Smalltalk mit ihrer Mitstreiterin Neubauer oder der strengen Ordnerin an ihrer Seite. Unnötige Worte sind nicht Gretas Sache.
Als sie schließlich raustritt, brandet Jubel auf. „Ich bin stolz auf euch, Hamburg“, sagt Thunberg auf der Bühne vor dem Rathaus, „die deutschen Schüler haben Geschichte geschrieben.“ Dann prangert sie das „Nichtstun“ der Politiker an, wie sie es immer in ihren Reden tut, und sagt: „Wir sind wütend, weil die ältere Generation uns unsere Zukunft vermasselt.“ Sie werde nicht aufhören, bis sich etwas bewege, erklärt Thunberg noch.
Nach zwei Minuten ist sie fertig. Neubauer redet länger, sagt „die Politik schläft“ und „die Wissenschaftler haben die Antworten.“ Neubauer kritisiert Merkel, die in einer Rede vor ein paar Wochen gesagt hatte, dass die Kinder für Klimaschutz protestieren würden, sei ein wichtiges Anliegen, aber dass plötzlich alle deutschen Kinder nach Jahren ohne jeden äußeren Einfluss auf diese Idee kommen, das könne man sich auch nicht vorstellen. Dafür gibt es Buhrufe.
Auf 3500 Teilnehmer schätzt die Polizei die Demonstration, die Veranstalter des Hamburger „Fridays for Future“-Ablegers sprechen von sechstausend. So oder so, es sind mehr als angemeldet und erwartet worden waren. Mit dreitausend Schülern und Studenten wurde gerechnet. Die Ordnungshüter halten sich zurück. Ein Polizeiauto fährt vor dem Zug. Die Stimmung ist friedlich, eine Seniorin tanzt mit dem Schild „Urgroßmutter for Climate Change“ in der Hand. Sogar Viertklässler sind gekommen.