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FDP-Chef Christian Lindner bezichtigt die Grünen einer "Fake-News-Kampagne" in der Debatte um "sichere Herkunftsstaaten"

Samstag 23.Februar.2019 - 06:23
Die Referenz
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Berlin (Queer) - In der Debatte um "sichere Herkunftsstaaten" bezichtigt FDP-Chef Christian Lindner die Grünen einer "Fake-News-Kampagne". Behauptungen, die Einstufung von Marokko als "sicheres Herkunftsland" würde den individuellen Asylanspruch dort verfolgter Homosexueller in Deutschland einschränken, seien "einfach falsch", sagte Lindner am Donnerstag in Berlin nach dpa-Angaben.

 

Der Politiker betonte laut der Nachrichtenagentur erneut, falls es keine Fortschritte gebe, müsse sich ein Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat mit der Einstufung von Tunesien, Algerien, Marokko und Georgien als "sichere Herkunftsstaaten" befassen. Die Grünen seien "die letzten gesinnungsethischen Unterstützer des alten Merkel-Kurses", so der 40-Jährige laut der Agentur weiter. "Davon wollen sie an der Wahlurne profitieren. Aber das ist gegen die Fakten." Es gehe allein um "parteipolitische Profilierung, die in Kauf nimmt sogar, dass man der AfD damit ein Mobilisierungsargument gibt".

 

Bereits vor rund zwei Wochen hatte Lindner die Haltung der Grünen in der Frage als "von Ideologie getriebene Politik" bezeichnet, "für die es in der Bevölkerung keine Mehrheit gibt" (queer.de berichtete).

 

Politischer Dauerstreit

 

Die Bundesregierung will Tunesien, Algerien und Marokko bereits seit längerem als "sichere Herkunftsstaaten" definieren. Entsprechend werden Staaten eingestuft, bei denen vermutet wird, dass es in der Regel weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung gibt. Das soll schnellere Asylentscheidungen und Abschiebungen ermöglichen. Ein erster Anlauf der großen Koalition im Bund zu den drei Maghreb-Staaten war 2017 im Bundesrat am Widerstand der Grünen und der Linken gescheitert (queer.de berichtete).

 

Letzten Monat hatte der Bundestag mit Zustimmung der Großen Koalition, der FDP und der AfD die Neueinstufung erneut beschlossen (queer.de berichtete). Im Bundesrat wurde der Punkt allerdings in der letzten Woche wegen einer drohenden Niederlage von der Tagesordnung genommen (queer.de berichtete). Die Bundesregierung hatte dabei versucht, mit einer neu im Entwurf aufgenommenen Rechtsberatung für vulnerable Gruppen unter den Asylbewerbern für eine Zustimmung zu sorgen.

 

Allerdings ist die vom Bundesamt für Migration selbst durchzuführende oder in Auftrag zu gebende Rechtsberatung nur eine bedingte Hilfe, wie gar die Erläuterungen des Bundesrats zu dem Gesetzentwurf (PDF) betonen: "Ein Anspruch auf die Gewährung des Zugangs zu der Rechtsberatung soll jedoch nicht bestehen. Im Einzelfall soll auch von ihr abgesehen werden können. Insbesondere sollen die fehlende Gewährung oder Inanspruchnahme der Rechtsberatung die Rechtmäßigkeit der Entscheidung über Asylanträge nicht in Frage stellen."

 

Die Grünen und die Linke lehnen, wie auch Menschenrechtsorganisationen und queere Verbände, die Einstufung aus mehreren Gründen ab: Zum einen würden so Staaten, die Homosexuelle oder Journalisten verfolgen, mit dem Prädikat "sicher" geadelt. Zum anderen werde das Asylrecht von Menschen aus diesen Staaten eingeschränkt. So werden sie in besonderen Aufnahmeeinrichtungen untergebracht und haben auch bei Duldung kein Recht auf Arbeit und nehmen nicht an Integrationskursen teil. 

 

Vor allem gilt für Asylbewerber aus "sicheren Herkunftsstaaten" ein verkürztes Verfahren mit umgekehrter Beweislast: Im Regelfall droht eine Einstufung des Asylantrags als "offensichtlich unbegründet", es folgen eine Abschiebeandrohung und eine Ausreisefrist von einer Woche. Klagen sind möglich, haben aber keine aufschiebende Wirkung.

 

Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) hält die Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten für eine "skandalöse Verharmlosung der Menschenrechtslage" in den Ländern: "Staaten, die Homosexualität kriminalisieren, sind nicht sicher, sondern sind Verfolgerstaaten", so LSVD-Vorstandsmitglied Marion Lüttig unlängst. 

 

In allen drei Ländern können homosexuelle Handlungen mit bis zu drei Jahren Haft belegt werden und kommt es tatsächlich zu Verfolgungen, in Tunesien werden dabei auch Anal-Untersuchungen eingesetzt. In Marokko wurden erst am Wochenende acht Personen bei einer inoffiziellen gleichgeschlechtlichen Hochzeitszeremonie festgenommen

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