NRW-Innenminister präferiert eine kontrollierte Rückführung der deutschen IS-Kämpfer
Berlin (Welt) - Syriens Kurden haben die Vereinten Nationen aufgerufen, in dem Bürgerkriegsland internationale Sondergerichte für inhaftierte IS-Kämpfer einzurichten. Die Heimatländer der Dschihadisten hätten bisher nicht auf die Forderung der Kurden reagiert, die IS-Anhänger zurückzuholen, sagte der Sprecher der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Mustafa Bali, der Deutschen Presse-Agentur.
Im Norden Syriens gebe es nicht die Möglichkeit, die Terroristen juristisch zu verfolgen. Prozesse unter dem Dach der UN könnten hingegen eine Lösung sein, die alle zufriedenstelle.
Dem Sprecher zufolge haben die SDF bisher rund 1300 ausländische IS-Kämpfer gefangen genommen, Iraker ausgenommen. Einige seien während der Kämpfe gefasst worden, andere hätten sich gestellt. Die Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sitzen in Lagern im Norden Syriens. Aus SDF-Kreisen hieß es, die meisten stammten aus Saudi-Arabien.
Die von den Kurden angeführten SDF-Truppen gehen derzeit im Osten Syriens gegen die letzte IS-Bastion in dem Bürgerkriegsland vor und haben die Dschihadisten in dem Ort Baghus auf engstem Raum eingekreist.
US-Präsident Donald Trump hatte die europäische Länder aufgefordert, in Syrien gefangene IS-Kämpfer zurückzunehmen und vor Gericht zu stellen. Die EU-Staaten sehen jedoch massive praktische Probleme.
Reul für „kontrollierte“ Rückführung
Trump erhält aus Deutschland jedoch auch Zustimmung. „Wir müssen die im Ausland inhaftierten deutschen Dschihadistenzurücknehmen, daran führt kein Weg vorbei. Weder Deutschland noch Nordrhein-Westfalen wird sich dem verweigern können“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) dem „Spiegel“. „Deswegen ist es klug, wenn wir uns jetzt darauf vorbereiten und sowohl Sicherheitsbehörden als auch Jugend- und Sozialbehörden sensibilisieren.“
„Wenn diese ehemaligen IS-Kämpfer deutsche Staatsbürger sind, haben wir ohnehin keine Wahl. Wenn sie reinwollen, müssen wir sie auch reinlassen“, sagte Reul dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Dann aber ist es doch viel besser, wir holen sie kontrolliert und überwacht zurück.“
Innenstaatssekretär lehnt pauschale Rücknahme ab
Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour nannte es in der „Passauer Neuen Presse“ grundsätzlich richtig, deutsche mutmaßliche IS-Unterstützer nach Deutschland zurückzubringen und hier für ihre möglichen Taten zur Verantwortung zu ziehen. „Das deutsche Strafrecht bietet genügend Möglichkeiten, diese gefährlichen Kämpfer hier auch entsprechend zu belangen.“ Die Strafverfolgungsbehörden, die sich mit Verbrechen in Syrien und im Irak beschäftigen, müssten allerdings besser ausgestattet werden.
„Eine pauschale kollektive Rücknahme von IS-Kämpfern kommt für uns keinesfalls in Betracht“, sagte Innenstaatssekretär Stephan Mayer (CSU) der „Passauer Neuen Presse“. Zudem komme es entscheidend darauf an, die Identität und die deutsche Staatsangehörigkeit schon im Aufenthaltsland zweifelsfrei und lückenlos zu klären.
Schuster mahnt zur Vorsicht
Der CDU-Innenexperte Armin Schuster plädiert dafür, Frauen und Kinder zuerst zurückkehren zu lassen. Er sehe es als „humanitäre Verpflichtung“ an, Frauen und Kinder, „zuvorderst aufzunehmen und, wo nötig, psychologische Hilfestellung zu leisten“, sagte Schuster der „Saarbrücker Zeitung“. Dies gelte besonders, wenn diese nicht selbst gekämpft hätten.
Schuster forderte, vor der Einreise von ehemaligen IS-Kämpfern deren Strafverfolgung sicherzustellen. Ansonsten wäre eine Wiedereinreise „unverantwortlich“, sagte der CDU-Politiker. Das Gefahrenpotential sei im Einzelfall durchaus hoch. „Wir haben es mit radikalisierten Menschen zu tun, deren Kriegserfahrungen nicht ohne psychologische Folgen bleiben können“, warnte Schuster. „Deshalb ist Vorsicht angesagt.“
Nach WELT-Informationen verzögert sich ein Gesetzentwurf, der die Ausbürgerung deutscher Mitglieder einer Terrormiliz ermöglichen soll. Das Bundesjustizministerium habe zum Entwurf des Innenministeriums bislang keine Stellung genommen, sodass er nicht an diesem Mittwoch vom Kabinett verabschiedet werden könne. Nach einem Bericht des „Handelsblatts“ gibt es im Innenministerium verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, IS-Rückkehrern mit doppelter Staatsbürgerschaft den deutschen Pass zu entziehen. Es gelte das im Grundgesetz verankerte Rückwirkungsverbot.