Gabriel wirft Merkel einen "großen strategischen Fehler" vor
München - Im vergangenen Jahr hielt Sigmar Gabriel (SPD) als Bundesaußenminister eine der bemerkenswerteren Reden der Sicherheitskonferenz. Diesmal trifft man den 59-Jährigen als einfachen Bundestagsabgeordneten entspannt in einem Café unweit des Bayerischen Hofs zum Gespräch. Er trägt keine Krawatte. Aber zu sagen hat er weiterhin eine Menge – deutlich pointierter als sein Nachfolger Heiko Maas am Rednerpult nebenan. Nur die Frage, in welcher Funktion er dies künftig tun wird, lässt Gabriel offen.
"Angela Merkel muss ihren Worten zu Europa auch mal Taten folgen lassen. Das kann ich bislang nicht erkennen", sagte der SPD-Politiker Gabriel dem "Münchner "Merkur". Deutschland müsse außenpolitisch viel aktiver werden, forderte Gabriel und zeichnet ein Schreckensszenario.
"Es ist wie in der Mitte des Orkans: Da ist es immer windstill, aber draußen ist ganz schön was los. Wenn wir nicht aufpassen, haben wir Europäer zwischen den großen Polen der Welt – USA und China, nicht Russland – nichts zu sagen. Dann werden wir Schachbrettfiguren auf dem Spielfeld anderer", so Gabriel zum " Münchner Merkur".
"Wir haben Frankreich hängen lassen"
Als großes Versäumnis der Kanzlerin bezeichnete es Gabriel, nicht rechtzeitig auf die Europa-Ideen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron geantwortet zu haben.
"Das war einer der großen strategischen Fehler der Bundeskanzlerin. Ich verstehe, dass Macron total enttäuscht ist. Wir haben Frankreich hängen lassen."
Gabriel fordert in seinem Interwiew mehr Ausgaben für Osteuropa. Er sagte, „Der deutsche Steuerzahler kann doch nicht die polnische Armee ausrüsten. Warum sollen wir nicht in die gemeinsame europäische Sicherheit investieren? Wenn man Europa zusammenhalten will, muss man sich immer in die Schuhe des Schwächsten stellen, um zu verstehen, was da passiert. Für viele in Osteuropa erscheint Russland eine reale Bedrohung. Es geht nicht darum, ob wir Deutschen das auch so sehen, sondern darum, die Sorgen anderer ernst zu nehmen. Bislang übernehmen nur die Amerikaner diese Rolle in der Sicherheitspolitik. Es ist der amerikanische Steuerzahler, der für Europas Sicherheit zählt. Da dürfen wir uns nicht wundern, wenn die Polen die ersten sind, die den Amerikanern anbieten, neue landgestützte atomare Mittelstreckenraketen bei sich zu stationieren.“
Das wollen wir nicht.
Deshalb brauchen wir das Signal: Wir Deutsche fühlen uns verantwortlich für die Sicherheit unserer Nachbarn – und zwar nicht nur in Sonntagsreden. Nur wenn die Osteuropäer uns das abnehmen, werden sie nicht nach neuen Atomwaffen rufen.