Münchner Sicherheitskonferenz: Der Versuch, Chaos in Ordnung zu bringen
München (Zeit) - Gleich morgens haben sie versucht, ein bisschen Ordnung ins Chaos zu bringen. Es trafen sich, noch bevor die Münchner Sicherheitskonferenz eröffnet wurde, die Verteidigungsminister der Koalition gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat". Zu sprechen hatten sie über die Folgen des von US-Präsident Donald Trump abrupt befohlenen Truppenabzugs aus Syrien. Klar geworden sei vor allem, so war danach zu hören, dass viele Fragen offen seien - selbst, wann die Soldaten nun gehen.
Der Versuch, Ordnung ins Chaos zu bringen, ist der rote Faden einer Sicherheitskonferenz, die in Zeiten steigender Spannungen auf der Welt fällt: Es gibt sie zwischen China und den USA, zwischen Russland und der Nato, aber auch innerhalb der transatlantischen Allianz, ja der EU. US-Vizepräsident Mike Pence, der Europa vor dem schädlichen Einfluss Russlands und Chinas gewarnt hat, trifft diesen Samstag in München auf Yang Jiechi, den wichtigsten Außenpolitiker der Kommunistischen Partei Chinas. Der Handelsstreit zwischen beiden Giganten bringt die Weltwirtschaft ins Wanken, die militärische Konkurrenz verschärft sich.
In Europa, in Deutschland vor allem, geht die Angst um vor einem neuen atomaren Wettrüsten, nachdem Russland den INF-Abrüstungsvertrag zum Verbot von Mittelstreckenraketen gebrochen hat - und die USA ihn in der Folge gekündigt haben. Als reichte das nicht, kündigte US-Präsident Trump an, den Notstand auszurufen, um seine Grenzmauer zu Mexiko zu bauen. Acht Milliarden Dollar will er ausgeben - und riskiert eine Verfassungskrise. Denn ob es die beschworene "Invasion" von Drogen und Kriminellen gibt, ob das den Notstand rechtfertigt oder der Präsident seine Befugnisse überschreitet, wird das Oberste Gericht klären müssen.
Die Krisen seien menschengemacht, erinnert der Chef der Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger. "Sie können und sie müssen von uns gelöst werden. Es gibt niemanden anderen." Europa müsse mit einer Stimme sprechen. Zur Illustration hat er einen blauen Kapuzenpulli mit gelben Europasternen übergezogen.
"Subjekt oder Objekt der Weltpolitik - dies ist die entscheidende Zukunftsfrage, vor der Europa steht", greift Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) später dieses Stichwort auf. "Nur wenn wir Souveränität europäisch bündeln, kann Europa souverän handeln." Gelinge das nicht, laufe Europa Gefahr, zwischen den Großmächten zerrieben zu werden.
Es ist Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian, der versucht, das Positive zu betonen. Man habe doch eine "beträchtliche europäische Kapazität geschaffen" mit dem Aufbau eines Verteidigungsfonds und mehr militärischer Zusammenarbeit in der EU. Ziel der Europäer müsse es sein, "innerhalb des transatlantischen Bündnisses immer vollwertiger zu werden". Der Wunsch nach europäischer Selbstbehauptung ist so etwas wie das Leitmotiv dieser Sicherheitskonferenz.
"Macht euch keine Sorgen um Amerika", ruft US-Senator Graham
Es gehe darum, sich "in einer Welt, die von neuen Rivalitäten zwischen etablierten und aufstrebenden Mächten geprägt ist", zu behaupten, formuliert es Maas, der noch einmal für seine "Allianz für den Multilateralismus" wirbt. An einer transatlantischen Entfremdung und Spaltung des Westens habe man kein Interesse. Allerdings sagt er auch: "Sicherheit bemisst sich für uns nicht allein in wachsenden Verteidigungsbudgets. Da mag durchaus unterschiedliche Auffassungen geben." Das geht gegen Trump, der wütend auf höhere deutsche Verteidigungsausgaben pocht.
Als "berechtigt" bezeichnet hingegen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) den "amerikanischen Ruf nach mehr Fairness in der Lastenteilung". Deutschland halte am Ziel fest, sich bei den Wehretats bis 2024 Ausgaben in Höhe von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung anzunähern. Eine "Leistung" sei es, wenn Deutschland wie geplant bis 2024 die 1,5-Prozent-Marke erreiche. Einen Seitenhieb kann auch sie sich nicht verkneifen.
"Fairness gilt für die militärische Lastenteilung", sagt sie, aber "auch für die politische Entscheidungsfindung". Der Grundsatz für Missionen laute: "Gemeinsam rein, gemeinsam raus". Das hat Trump über Bord geworfen, als er ohne Absprache den Syrien-Abzug verkündete - was sich in Afghanistan wiederholen könnte.
Es ist schließlich ein Amerikaner, der sich als Stimmungsaufheller versucht. "Macht euch keine Sorgen um Amerika", ruft der republikanische Senator Lindsey Graham. Es gebe ja noch den Kongress. Und überhaupt: "Multilateralismus mag kompliziert sein, aber er ist besser, als alleine zu sein."