Auswertung der Handydaten von Flüchtlingen findet keinen Erfolg
Berlin (BR) - Der Entwurf für ein Gesetz zur besseren besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht ist in der ersten Lesung im Bundestag. Es geht auch um die Frage, ob die Handydaten von Asylbewerbern ausgelesen werden dürfen oder nicht. Der damalige Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU) meint: Ja. Und begründet das im Plenum:
"In einem Rechtsstaat können wir es nicht hinnehmen, dass Asylbewerber scheinbar sanktionslos und nach Belieben verschiedene Namen und Staatsangehörigkeiten angeben, keine brauchbaren Auskünfte geben und darauf hoffen, dass die Behörden bei den Herkunftsstaaten bei der Beschaffung von Papieren nicht weiterkommen. Das ändern wir." Thomas de Maizière, damaliger Bundesinnenminister
Handy- und Tabletdaten dürfen nun ausgelesen werden
Es wurde geändert: Seit knapp anderthalb Jahren darf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Handy- oder Tabletdaten von Asylbewerbern auslesen, um deren Identität zu klären.
"Das ist nur vernünftig, und das ist auch fair, denn sonst würden nur die weiterkommen, die am besten verschleiern." Thomas de Maizière, damaliger Bundesinnenminister
Und so läuft das ab: Bei Asylbewerbern, die keine Identitätspapiere bei sich tragen, die älter als 14 Jahre sind und einen Datenträger, also ein Handy, ein Tablet oder einen Laptop bei sich haben, werden im Zuge der Registrierung automatisiert die Daten ausgelesen. Ausgewertet werden sie noch nicht. Die gewonnenen Daten kommen zunächst in einem sogenannten Daten-Tresor. Ausgewertet werden sie erst, wenn im Laufe des Asylverfahrens ein BAMF-Mitarbeiter den Antrag dafür stellt - und ein Volljurist im Haus die Auswertung genehmigt. Ausgewertet werden dürfen dann nur Geodaten, also: Welche Vorwahlen wurden gewählt, an welchem Ort wurde ein Foto aufgenommen, aus welchen Ländern wurde telefoniert?
Vieles wurde ausgelesen - wenig ausgewertet
Dem Ziel, auf diese Weise die Identität des Betreffenden zu klären, dient die Maßnahme allerdings nur bedingt, wie eine Anfrage des Bayerischen Rundfunks beim BAMF ergab. Im Jahr 2018 waren es knapp 11.400 Datenträger von Erstantragstellern, die ausgelesen wurden. Rund 3.300 davon wurden auch ausgewertet.
"Dabei wurde in 33 Prozent der Fälle die Identität der Antragstellenden bestätigt, in zwei Prozent widerlegt." Schreiben des BAMF
Die Zahlen sind also gering: Nur bei zwei Prozent der ausgewerteten Datenträger konnte einem Asylbewerber nachgewiesen werden, dass er falsche Angaben über seine Identität gemacht hat.
"Erst mal muss man, glaube ich, sagen, dass die Zeit zeigt, dass die Identitätstäuschung, was ja immer der Hintergrund gewesen ist, jetzt nicht das massive Problem ist", so die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen, Luise Amtsberg. Sie sieht im Auslesen von Handydaten einen "schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte von Geflüchteten". Dem stimmt die innenpolitische Sprecherin der Linken, Ulla Jelpke, zu. Auch sie war, wie sie sagt, von Anfang an gegen diese Maßnahme und sieht sich durch die Zahlen bestätigt.
"Zwei Prozent der Fälle, da muss man ganz klar sagen: Das ist minimal und zeigt eigentlich, dass es viel sinnvoller wäre, wenn das BAMF tatsächlich Gespräche, persönliche Befragungen durchführen würde - und dann natürlich versucht, dadurch die Identität bestätigen zu lassen." Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linken
Die AfD sieht anderen Grund für das Ergebnis
Schutzsuchende sollten nicht unter Generalverdacht gestellt werden, sagen Amtsberg und Jelpke. Der stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende Peter Felser ist der Ansicht, dass die Ergebnisse einen anderen Grund haben.
"Man muss feststellen, dass ja nur die Geodaten ausgewählt wurden. Ich bin mir sicher, dass wir andere Ergebnisse hätten, wenn wir auch die Daten systematischer auswerten würden, wenn wir auch die Fotos systematisch auswerten würden, wenn wir hier mit künstlicher Intelligenz ansetzen würden, dann würden wir sicherlich weiterkommen." Peter Felser, stellvertretender AfD-Fraktionsvorsitzender
In der Großen Koalition steht man nach wie vor zu der Entscheidung: Die Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Andrea Lindholz von der CSU, spricht von einem "absolut sinnvollen Prüfinstrument", das mit Bedacht eingesetzt werde. Und der innenpolitische Sprecher der SPD, Burkhard Lischka, meint, das Mittel des Daten-Auslesens sei von Anfang an nur als Ultima Ratio angelegt gewesen, um Zweifel an der Identität auszuräumen.
Und auch im BAMF selbst verteidigt man die Maßnahme: Aslyentscheidungen würden durch die zusätzlichen Informationen auf eine breitere Grundlage gestellt, heißt es - am Ende entscheide der Mensch.