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Die Beziehung ändert sich zwischen Merkel und AKK

Donnerstag 14.Februar.2019 - 04:22
Die Referenz
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Berlin (Zeit) - Angela Merkel ist nicht mehr CDU-Vorsitzende. Und - salopp gesagt - genau so verhält sie sich auch. In den Stunden vor dem ersten Koalitionsausschuss am Mittwochabend machte Merkel gleich zweimal recht unverhohlen deutlich, wie sie ihre neue Rolle offenbar auszufüllen gedenkt: als Chefin einer Regierung, die vor allem das umsetzt, was man sich vor einem Jahr nach mühsamen Verhandlungen zwischen Union und SPD vertraglich vorgenommen hat - und die nicht alles gleich als Auftrag versteht, was in den Koalitionsparteien so gedacht und beschlossen wird. Schon gar nicht in ihrer eigenen Partei, der CDU.

 

Dazu passte später auch das zunächst dünne Ergebnis des Koalitionsausschusses, dem ersten, an dem neben den üblichen Verdächtigen Andrea Nahles und Olaf Scholz (SPD), Ralph Brinkhaus (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU) auch Annegret Kramp-Karrenbauer als neue CDU-Vorsitzende und Markus Söder als neuer CSU-Chef teilnahmen. 

 

Nach sechs gemeinsamen Stunden im Bundeskanzleramt gingen die Koalitionäre um kurz vor Mitternacht auseinander. Ohne Statements, ohne schriftliche Erklärung. Auch nach dem Verzicht auf den Parteivorsitz scheint Merkel doch mindestens noch mächtig genug zu sein, der Koalition ihre übliche Arbeitsmethodik abzuverlangen: Schritt für Schritt. Wie seit 13 Jahren.

 

Viel konkreter als die Ergebnisse der nächtlichen Sitzungen waren mithin Merkels unverhohlene Hinweise aus den Stunden zuvor. Nach einem Gespräch mit dem luxemburgischen Premierminister Xavier Bettel war die Kanzlerin am Mittwochmittag nach den Beschlüssen aus dem CDU-Werkstattgespräch zur Migration gefragt worden. 

 

Während der von Kramp-Karrenbauer initiierten Veranstaltung war es zu Wochenanfang zwei Tage lang fast ausschließlich um die Probleme gegangen, die Merkels Flüchtlingspolitik verursacht hatte. 

 

Wie von einem gruseligen Vorfall in der eigenen Familie, war in der CDU-Zentrale und auch in den Ansprachen Kramp-Karrenbauers immer wieder die Rede davon, dass sich "das, was 2015 geschah", nicht wiederholen dürfe. Das ist zwar eine Formulierung, die auch Merkel verwendet, allerdings nicht in derselben Ausschließlichkeit.

 

Die Kanzlerin formuliert ihren persönlichen Stolz

Wie man am Mittwoch erleben konnte: Da sie an dem Werkstattgespräch nicht teilgenommen habe, wolle sie es auch nicht kommentieren, so Merkel zunächst - um es dann indirekt doch zu tun. "Ich glaube, dass wir 2015 in einer humanitär sehr fordernden Situation Großartiges geleistet haben", formulierte die Kanzlerin ihren persönlichen Stolz, von dem in der eigenen Partei praktisch nichts mehr zu finden ist. 

 

Man habe "auch sehr viel im Bereich der Steuerung und Ordnung der Migration erreicht". Das klang wie ein Konter gegen das vierseitige Ergebnispapier des Werkstattgesprächs, in dem zahlreiche Vorschläge für weitere Maßnahmen aufgelistet sind. Das Glas der CDU ist ziemlich leer, das Glas Merkels mindestens halbvoll.

 

Besonders pikant: Mit Blick auf Kramp-Karrenbauers Ankündigung, auch eine Grenzschließung als Ultima Ratio in Erwägung zu ziehen, ging Merkel sogar auf unübersehbare Distanz zu ihrer Nachfolgerin an der CDU-Spitze. "Gerade was das Thema der Zurückweisung an der Grenze anbelangt, haben wir ja in den vergangenen Monaten sehr viel diskutiert", so Merkel mit Blick auf den sommerlichen Streit mit der CSU. "Und da hat sich an meiner Meinung nichts geändert", fügte sie hinzu. An anderen Meinungen offenbar schon. 

 

Im Sommer hatte Kramp-Karrenbauer in diesem Punkt noch an der Seite Merkels gegen Horst Seehofer und Markus Söder gefochten. Mittlerweile schmeichelt Söder der neuen CDU-Chefin, sie habe mit ihrem Werkstattgespräch die "Versöhnung der konservativen Seele" bewirkt. Neue Zeiten, neue, na ja, Freundschaften.

 

Bereits am Dienstag in der Fraktionssitzung der Union hatte Merkel einen weiteren Beschluss des Hamburger CDU-Parteitages im Dezember adressiert: Dabei geht es um die sogenannte Doppelverbeitragung von bestimmten Formen der Altersvorsorge. Seit 2004 müssen die Empfänger von Betriebsrenten und Direktversicherungen bei einem Betrag von mehr als 150 Euro pro Monat Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge bezahlen - und zwar sowohl den Anteil für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber. 

 

Ein Thema, das viele Arbeitnehmer betrifft - und ärgert. Die Parteiführung wollte die Angelegenheit erst einmal prüfen, doch die Junge Union und die Mittelstandsvereinigung mit ihrem Vorsitzenden Carsten Linnemann forderten die Abschaffung der Regelung - und erhielten eine klare Mehrheit.

 

Merkel hat nun trotzdem geprüft. Und in der Fraktionssitzung am Dienstagabend ließ sie die Abgeordneten wissen, dass ein Plan von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einstweilen nur ein Plan bleiben werde. Spahn hatte vorgeschlagen, die Beiträge vom 1. Januar 2020 an zu halbieren. Zur Finanzierung soll nach Spahns Vorstellung der jährliche Steuerzuschuss an die gesetzlichen Krankenkassen um 2,5 Milliarden Euro erhöht werden. Nur den Rest - also 500 Millionen Euro - sollen die gesetzlichen Krankenkassen tragen. Doch das lehnt Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) ab. Und die Kanzlerin ist seiner Meinung.

 

Merkels Strategie ist nicht ohne Risiko

"Das geht nicht", soll Merkel laut Bild-Zeitung in der Fraktionssitzung gesagt haben. Ihre stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer ließ Merkel am Tag danach auch offiziell ausrichten, dass im Koalitionsvertrag eine Entlastung nicht vereinbart sei. Bevor weitere kostenintensive Projekte diskutiert würden, gelte es erst einmal, die im Koalitionsvertrag vereinbarten Projekte anzugehen.

 

Merkels Strategie ist nicht ohne Risiko. Zum einen in der Sache, weil die Doppelverbeitragung der Altersvorsorge, aber natürlich auch die Flüchtlingspolitik heikle Themen von nicht zu unterschätzender Breitenwirkung sind. Zum anderen zieht sie einstweilen die Grenzen für ihre Nachfolgerin Kramp-Karrenbauer ziemlich eng. 

 

Die hatte nämlich im parteiinternen Wahlkampf immer wieder damit geworben, der Partei mehr Einfluss zu verschaffen. Nach Jahren, in denen die Basis vor allem hinnehmen musste, was in der Regierung beschlossen worden war - Jahre, die Kramp-Karrenbauer einmal eine "bleierne Zeit" genannt hatte -, soll künftig häufiger erst die Partei Themen beraten und Beschlüsse fassen, die dann in die Regierungsarbeit eingebracht werden. So versprach es die Kandidatin AKK immer wieder auf den Regionalkonferenzen der CDU.

 

Ganz so einfach, wie sich das anhörte, wird es wohl nicht werden. Deshalb könnte es gut sein, dass Merkel und Kramp-Karrenbauer bald mal miteinander reden müssen. Unter vier Augen. Darüber, wer eigentlich das Sagen hat.

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