Antisemitische Kriminalität in Deutschland stark gestiegen
Berlin (Welt) - Antisemitische Kriminalität hat im Jahr 2018 deutlich zugenommen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervor, die dem „Tagesspiegel“ vorliegt. Die Polizei registrierte demnach nach bisherigen Erkenntnissen bundesweit 1646 Straftaten. Das sind knapp zehn Prozent mehr, als die Bundesregierung für 2017 gemeldet hatte. Damals waren es 1504.
Betrachtet man nur die antisemitischen Gewalttaten, ergibt sich sogar eine Steigerung um mehr als 60 Prozent. Die Polizei stellte im vergangenen Jahr insgesamt 62 Gewaltdelikte fest, im Jahr zuvor waren es 37. Bei den 62 Gewaltdelikten mit antisemitischem Hintergrund seien 43 Personen verletzt worden, heißt es in der Antwort der Regierung. Die Polizei habe 857 Tatverdächtige ermittelt, 19 von ihnen wurden festgenommen. Haftbefehle gab es keine.
Die Zahlen zur antisemitischen Kriminalität 2018 könnten noch ansteigen. Laut der Regierung befinden sich alle Zahlen „in der Abstimmung mit den Ländern“ und stünden noch nicht endgültig fest. Doch nach den bereits vorliegenden Zahlen zeigt sich: In den vergangenen drei Jahren hat sich der Trend eines Anstiegs antisemitischer Kriminalität weiter fortgesetzt. 2017 hatte die Polizei eine Zunahme von 2,5 Prozent gemeldet, 2016 war es ein Anstieg um 7,5 Prozent.
Antisemitismus alarmiert Frankreich
Bei rechtsextremer Kriminalität insgesamt berichtet die Regierung von 19.105 rechten Delikten, darunter 1072 Gewalttaten. Für 2017 hatte die Regierung insgesamt 20.520 Straftaten von Neonazis und anderen rechten Kriminellen gemeldet. Bei 1130 Delikten hatten die Täter Gewalt angewandt. Die Zahlen liegen demnach derzeit noch ein wenig unter dem Vorjahr. Allerdings sind auch diese Zahlen vorläufig und könnten, wie die Erfahrung zeigt, durch Nachmeldungen noch erheblich steigen.
Der Anstieg antisemitischer Übergriffe um 74 Prozent auf 541 Fälle im Jahr 2018 hatte gerade Frankreich alarmiert. Innenminister Christophe Castaner sprach davon, dass sich der Antisemitismus „wie ein Gift“ ausbreite. Der jüdische Dachverband (Crif) forderte am Dienstag einen „Ruck“ durch die Gesellschaft.
Etwa jeder dritte EU-Bürger nimmt einen Anstieg von Antisemitismus in seinem Land wahr – in der jüdischen Bevölkerung liegt der Anteil noch höher. Das geht aus einer aktuellen Eurobarometer-Umfrage hervor. In der Gesamtbevölkerung nehmen demnach 36 Prozent zunehmenden Antisemitismus wahr, unter Juden sind es 90 Prozent. Dabei gibt es Unterschiede in den Ländern: In Deutschland nehmen 61 Prozent zunehmenden Antisemitismus wahr, in Schweden sind es sogar 73 Prozent.