Berlin (Tagesspiegel) - Kohleausstieg, Grundsteuer, Auto-Krise – die Liste ist lang, die Union und SPD heute Abend im Koalitionsausschuss abarbeiten müssen. Den Anschein eines Krisentreffens wollen die Groko-Partner aber tunlichst vermeiden. Im Vorfeld haben sie ihren Willen zum Weiterregieren betont. Selbst den Streit um die Grundrente werden sie wohl auf kleiner Flamme halten. Allerdings kochen Union und SPD ohnehin längst ihre eigenen Süppchen, abseits des Groko-Alltags. Die Sozialdemokraten rücken nach links. Die CDU versucht den Rechtsschwenk in der Migrationspolitik. So hat die heutige Sitzung im Kanzleramt etwas von einem Abschied auf Raten. Wie bei Ehepartnern, die nur noch für die Kinder zusammenbleiben – aber längst die Zeit nach der Scheidung planen.
Wechselmodell für Trennungskinder
Um gescheiterte Ehen geht es heute auch im Bundestag-Rechtsausschuss. Die FDP würde gerne die Erziehung von Trennungskindern neu regeln – und das „Wechselmodell“ gesetzlich vorschreiben. Geschiedene Eltern sollen im Streitfall gerichtlich verpflichtet werden, sich gemeinsam um den Nachwuchs zu kümmern. Union und SPD halten nichts von dem Vorschlag. Katarina Barley und ihr Ex-Mann leben schon heute so, sagt die Justizministerin. Ein Gesetz habe es dafür nie gebraucht – „und es sollte auch keines geben“. Dass ausgerechnet die FDP danach verlangt, überrascht. Sonst beschweren sich die Liberalen gerne, der Staat wolle seine Bürger „gängeln“.
Taliban sollen nach Deutschland eingeladen werden
Mit dem Ende einer sehr komplizierten Beziehung wird sich der Bundestag bald befassen müssen. Im März steht die Verlängerung des Mandats für den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr an. Nun hat SPD-Staatsminister Niels Annen ein Papier an die Abgeordneten geschickt. Darin wird gewarnt: Die Lage in dem Land werde zunehmend chaotisch. Die deutschen Soldaten sollten nur bleiben, „solange realistische Aussicht auf eine politische Lösung besteht“. Dafür ist die Bundesregierung neuerdings sogar bereit, die Taliban zu Gesprächen nach Deutschland einzuladen. Offenbar bekommt man in Berlin kalte Füße. Der Grund: Die USA könnten sich bald aus Afghanistan zurückziehen – und zwar „ohne umfangreiche Abstimmung mit den Partnern“. Dann könnte sich rächen, dass die Bundeswehr seit 18 Jahren keine Exit-Strategie für Afghanistan hat.
SPD will Daten-für-alle-Gesetz
Gegen die Übermacht der USA an anderer Stelle wollen jetzt die Sozialdemokraten etwas tun. Sie planen, Digital-Konzerne wie Google oder Facebook zum Teilen ihrer Daten zu zwingen. Die sollen in anonymisierter Form „grundsätzlich einer Nutzung zugänglich“ gemacht werden. So steht es in einem SPD-Diskussionspapier für ein „Daten-für-alle-Gesetz“. Das Ziel sei, „die Macht der großen Datensilos“ zu brechen, erklärt die SPD-Digitalexpertin Saskia Esken. Nun, an eines der größten Datensilos scheint die Initiative nicht gedacht zu haben: den Staat und seine Institutionen, darunter auch Schulen und Universitäten. Die dort vorhandenen und oft noch intransparenten Datensammlungen würden einer Vielzahl von Startups den Rohstoff liefern. Die Reaktionen auf den SPD-Vorstoß sind denn auch gemischt: „Klingt gut, ist aber nicht durchdacht“, entgegnet der CDU-Abgeordnete Thomas Jarzombek. SPD-Chefin Andrea Nahles will darüber morgen im Willy-Brandt-Haus mit Experten diskutieren.
Nooke - ein Kolonialismus-Befürworter?
Mit Fachleuten debattieren will heute auch Günter Nooke. Der persönliche Afrikabeauftragte der Bundeskanzlerin empfängt eine Gruppe von Professoren. Die sind mächtig sauer auf Nooke – und haben sich bereits bei Merkel über ihn beschwert. Der ehemalige DDR-Bürgerrechtler verharmlose den Kolonialismus und bediene „rassistische Positionen“, sagen sie. Der weist das zurück, will sich aber mit den Vertretern des „Fachverbands Afrikanistik“ aussprechen. Für den CDU-Mann ist das Treffen heikel. Denn eigentlich hat die Groko im Koalitionsvertrag versprochen, die Kolonialzeit aufzuarbeiten. Vorangekommen ist die Bundesregierung damit aber bislang nicht. Ob Nooke den Afrika-Experten heute erklären kann, woran das liegt?.