Ein Widerstand regt sich, nachdem Merkel ihre Facebook-Seite deaktivierte
Berlin (Heise) - Aus Wissenschaftskreisen gibt es Kritik an der Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, ihre Facebook-Seite zu schließen und die Inhalte damit nicht mehr der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das halb-private Profil von Merkel als Parteipolitikerin sollte als digitales Zeitzeugnis erhalten bleiben, berichtet der Spiegel.
Merkel hatte Anfang Februar angekündigt, Facebook zu verlassen: Da sie nicht mehr CDU-Vorsitzende sei, wolle sie ihre Facebook-Seite schließen – was mittlerweile auch geschehen ist: Die Inhalte sind nicht mehr zugänglich, auch nicht für angemeldete Facebook-Benutzer.
Zuletzt hatten 2,5 Millionen Besucher die Seite mit "gefällt mir" markiert. Merkel ist jedoch weiterhin über die Facebook-Seite der Bundesregierung präsent sowie auf einem Instagram-Konto aktiv.
Auch digitale Zeitzeugnisse dauerhaft erhalten
Wie der Spiegel in seiner Printausgabe berichtet, regt sich Kritik an der Entscheidung. Der Bibliotheksjurist Eric Steinhauer etwa fordert, dass die Seite zumindest sichtbar im Netz bleiben müsse. Für digitale Inhalte in sozialen Medien gebe es zwar keine umfassende und durchsetzbare Abgabepflicht bei Bibliotheken und Archiven, wie das für Druckerzeugnisse gelte.
Auf diese Weise drohten jedoch viele digitale Zeitzeugnisse wie Tweets von Politikern oder Äußerungen auf Instagram für immer verloren zu gehen. "Ohne sie wird man künftig nicht wissen, was uns heute bewegt", sagte Steinhauer.
Die Vorsitzende des Verbands der Historiker und Historikerinnen Deutschlands, Eva Schlotheuber, hält die Rechtslage für nicht mehr zeitgemäß. Das politische Gedächtnis der Zeitgeschichte sei durch die Umstellung auf digitale Kommunikation nur noch ein aktenbasiertes Gedächtnis, sagte Schlotheuber.
Laut dem Bericht soll Merkels Social-Media-Team auf Anraten von Facebook die Seite der Kanzlerin nicht vollständig gelöscht, sondern lediglich den Status auf "unveröffentlicht" gestellt haben. Damit wäre die Seite nur noch mit entsprechenden Verwaltungsrechten einsehbar.
Die Diskussion berührt grundsätzlich die Frage, wie die digitale Kommunikation von politischen Stellen und Personen in den sozialen Medien öffentlich zugänglich gemacht werden kann und soll. Im Herbst 2018 hatte etwa die Open Knowledge Foundation Deutschland eine Klage gegen das Bundesinnenministerium eingereicht und die Herausgabe privater Twitter-Direktnachrichten der Behörde verlangt, da diese als Behördenkommunikation zugänglich gemacht werden müssten. Das Innenministerium hingegen bezeichnete die Kommunikation der Behörde mit Twitternutzern als "flüchtig" und daher "nicht aktenrelevant".