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Merkels erwartet eine schwierige Mission in Ost-Europa

Donnerstag 07.Februar.2019 - 02:30
Die Referenz
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Berlin (Welt) - Angela Merkel reist an diesem Donnerstag zum Visegrád-Gipfel nach Bratislava, um sich mit den Regierungschefs Polens, Tschechiens, Ungarns und der Slowakei zu treffen. Es wird ein schwieriger Besuch für die Kanzlerin, ein Besuch in der Höhle des Löwen. Die Beziehungen Deutschlands zu den Ländern der sogenannten Visegrád-Gruppe, insbesondere zu Ungarn und Polen, sind angespannt.

 

Merkel wird wegen ihrer Flüchtlingspolitik scharf aus Budapest und Warschau angegriffen, die sich wiederum weigern, den Verteilschlüssel der EU für Flüchtlinge zu akzeptieren. An einer Zusammenarbeit mit Deutschland ist ihnen dennoch gelegen. Was die Kanzlerin erwartet.

 

Asylpolitik, Rechtsstaatlichkeit, Strafverfahren gegen Ungarn: Die Bruchlinien zwischen Berlin und Budapest sind tief und zahlreich. Besonders verbittert ist man in Berlin über die Art und Weise, wie Ungarns Ministerpräsident Viktor OrbánBundeskanzlerin Angela Merkel immer wieder zur Zielscheibe seiner politischen Angriffe in der Migrationspolitik machte.

 

In Budapest wiederum wirft man Merkel vor, die Unterstützung der Unionsabgeordneten im Europaparlament für ein Artikel-7-Verfahren gegen Ungarn, ein Strafverfahren, sei direkt von der Kanzlerin empfohlen worden.

 

Hinter den Kulissen gibt es dennoch Anzeichen einer Annäherung, die von den Ungarn sehr erwünscht wird. Seit September findet ein „strukturierter Dialog“ zwischen der ungarischen Regierungspartei Fidesz und der CDU statt. Den Dialog führen auf ungarischer Seite der frühere Minister für Humanressourcen, Zoltán Balog, und zwei seiner politischen Zöglinge: der junge Kanzleramtsminister Gergely Gulyás und Familienstaatssekretärin Katalin Novák.

 

Balog warnte vor überzogenen Erwartungen. Solange „die Deutschen nicht bereit sind zu akzeptieren und respektieren, dass wir radikal andere Auffassungen in manchen Fragen vertreten“, solange werde es schwer sein.

 

Man darf es wohl als politisches Goodwill-Signal der Ungarn an Berlin werten, dass sie zur Modernisierung ihrer Armee deutsche Leopard-Panzer und Panzerhaubitzen sowie Airbus-Kampfhubschrauber gekauft haben. Auch in der EU-Verteidigungspolitik sowie bei den Brexit-Verhandlungen folgen sie der deutschen Linie. Vielleicht auch deswegen ist bei den Deutschen die Kritik etwas verhaltener geworden.

 

Doch seinem Ziel, dass die Deutschen sich für eine strategische Partnerschaft mit der Visegrád-Gruppe entscheiden, statt sich immer nur auf Frankreich zu konzentrieren, dürfte Orbán auch nach dem Treffen nicht näherkommen.

 

Auch die Beziehungen zwischen Berlin und Warschau sind seit dem Wahlsieg der nationalkonservativen PiS (Recht und Gerechtigkeit) 2015 angespannt. Regelmäßig drückt Polen sein Unbehagen gegenüber Deutschland aus. Polen übt ebenfalls massiv Kritik an der Flüchtlingspolitik. Eine Verteilung von Migranten mithilfe eines europäischen Mechanismus’ lehnt Warschau kategorisch ab.

 

Andere Konfliktfelder sind der Bau der Gaspipeline Nord Stream 2, die unter Umgehung der Ostmitteleuropäer Russland und Deutschland direkt miteinander verbinden soll, und die in Polen erhobenen Forderungen nach Reparationszahlungen für von Deutschen während des Zweiten Weltkriegs verübte Verbrechen. Auch der von der PiSbetriebene Umbau des Justizwesens lastet weiterhin auf den Beziehungen.

 

Nicht in allen Visegrád-Staaten ist das Verhältnis zu Deutschland so angespannt. Dass die Mitglieder der Gruppe unterschiedliche Strategien verfolgen, ist aus Sicht Warschaus kein Grund, nicht eine Führungsrolle in dem Format anzustreben. Ein gemeinsames Auftreten wie in Bratislava stärkt demnach die eigene Position gegenüber Deutschland und in der EU. Es ist also nicht damit zu rechnen, dass der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki, eingehegt von den anderen Visegrád-Chefs, gegenüber Merkel besonders leise auftreten wird.

 

Polen und Ungarn schaffen es immer wieder, gemeinsam Positionen zu beziehen – und Nähe zu demonstrieren. So war Warschau die erste Hauptstadt, die Orbán nach seinem Wahlsieg im vergangenen Jahr besuchte. Neben Morawieckisagte er zu ihrer gemeinsamen Linie in der Migrationspolitik: „Wen wir auf unserem Territorium aufnehmen, ist eine Frage unserer Souveränität.“

 

Dabei sind die Polen – anders als Ungarn – Russland gegenüber grundsätzlich kritisch eingestellt. Orbán hingegen empfing Präsident Wladimir Putin nach der russischen Annexion der Krim 2014 in Budapest. Eine der größten russischen Investitionen in Ungarn ist die Grundsanierung des Atomkraftwerks Paks.

 

Die polnische Führung hat zuletzt während des Besuchs des umstrittenen und Kreml-freundlichen italienischen Vizepremierministers Matteo Salvini in Warschau im Januar bewiesen, dass sie durchaus bereit ist, über die Moskau-Nähe hinwegzusehen, wenn es ein gemeinsames Interesse gibt. In dem Fall: die Ablehnung von Flüchtlingen und das Infragestellen deutsch-französischer Führung in der EU.

 

Polen ist also imstande, Kompromisse einzugehen. Das Visegrád-Format dürfte das stärken.

 

Man läge völlig falsch, würde man die vier Staaten der Visegrád-Gruppe über einen Kamm scheren. Die vier Länder sind sich zwar einig in der Ablehnung von Angela Merkels Flüchtlingspolitik, ansonsten aber unterscheiden sie sich voneinander. Tschechiens Premier Andrej Babisbeispielsweise ist im Gegensatz zu seinen polnischen und ungarischen Amtskollegen ein regelrechter Fan der EU, wenn man sie ein wenig reformierte.

 

Aus seiner Sicht hat Tschechien in den Jahren seit Beginn seiner EU-Mitgliedschaft geschlafen. In dieser Zeit seien aus Prag Leute nach Brüssel und Straßburg geschickt worden, die nicht einmal eine Fremdsprache beherrschten. Logisch, dass die in Lobby-Gesprächen nichts für Prag herausgeholt hätten. Babis, der fließend Englisch, Französisch und Deutsch spricht, will als Unternehmer und Dollar-Milliardär in der EU Geschäfte machen. Da stört ihn die illiberale, europafeindliche Einstellung eines Jaroslaw Kaczynski oder eines Viktor Orbán.

 

Mit Angela Merkel kommt der tschechische Regierungschef prächtig aus. Er ist nicht nur Premier, sondern auch ein tschechischer Großinvestor in Deutschland und weiß die Möglichkeiten dort perfekt zu nutzen. Dass Merkel bei den „normalen“ Tschechen wegen ihrer Flüchtlingspolitik „unten durch“ ist, stört Babis wenig.

Auch der slowakische Premier Peter Pellegrini, der Merkel nach Bratislava als derzeitiger Chef der Visegrád-Länder eingeladen hat, ist Deutschland gegenüber positiv eingestellt. Das Euro-Land Slowakei ist vor allem über die Autoindustrie sehr von Deutschland abhängig. Da reagiert Pellegrini im Zweifelsfall pragmatisch, nicht so ideologisch wie sein Vorgänger Robert Fico.

 

 

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