Es lohnt sich, Merkel auf Instagram zu folgen
Berlin (Welt) - Dass Angela Merkel nicht mehr auf Facebook ist, scheint nur konsequent – in ihrer leicht pastoral anmutenden Ansprache an alle, die ihr auf Facebook folgten, sagt sie, man könne ihr stattdessen auf Instagram folgen.
Damit liegt Merkel ziemlich im Trend. An vielen Tagen, wenn der eigene Facebook-Newsfeed auf dem Handy-Display sich, auf mehrfaches insistierendes Daumenwischen hin, unendlich träge und scheinbar widerwillig aktualisiert, um nur die nächste Redundanz an die Oberfläche zu spülen, fragt man sich ja, warum man nicht genau das schon längst getan hat: sich auf Facebook löschen.
Dann huschen einem als eine Art Hintergrundflüstern die immer gleichen Ausreden durch den Kopf, man braucht es ja aus beruflichen Gründen, und woher sollen die Leute sonst wissen, wann man Geburtstag hat. Jetzt hat Zuckerberg auch noch die Messenger fusioniert, man müsste sich empören, aber man fühlt nichts. Die existenzielle Entfremdung von den eigenen Daten ist durch kein Datenleak, keine aufgeklärte Kolumne „aus dem Maschinenraum“ und keine empowerndeCrypto-Party zu beheben.
Es bleibt also nur die ästhetische Affirmation, und da ist Instagram ohnehin das wesentlich klügere Medium als Facebook. Dass Merkel will, dass man ihr dort folgt (was man ja ohnehin schon längst tut), zeigt nur einmal mehr, dass sie die Aufhebung von Kritik und Affirmation in einer postpolitischen Synthese besser beherrscht als jeder andere.
Ernsthafte Konkurrenz auf Instagram hat sie eigentlich nur von Dorothee Bär (“Instalover, Mama, Politikerin, Gamerin, Jägerin, Fränkin, Bayerin, Teilzeit-Berlinerin“) und Markus Söder (keine Selbstbeschreibung auf Instagram, die Fotos sprechen für sich). Insgesamt scheint die Union Insta-mäßig sehr gut aufgestellt zu sein, wie es auf Snapchat aussieht, können wir Ihnen leider nicht sagen, da müssen Sie jemand Jüngeres fragen.
Jedenfalls, die Kanzlerin: Gucken Sie sich einfach mal die letzten Insta-Storys an, das ist besser als jede Meditations-App. Eben noch erhält sie in melancholischem Tiefblau als erste Deutsche (!) den Fulbright-Preis, schon wird man, dem Insta-Format sei Dank, in die nächste Story hineingespült, wo einem vom Landeplatz in Davos ohrenbetäubendes Helikopter-Getöse in die Ohren schallt; ein Fluglotse in Orange winkt mitten im Schnee der landenden Maschine entgegen.
Wir lassen uns vom Insta-Story-Verlauf weiter in die Vergangenheit tragen, freuen uns über den Jubel in Aachen, Macron und Merkel haben gerade den Vertrag unterzeichnet. Und so geht es immer weiter. Wir fallen durch die Wochen. Heraus aus dem Tagesgeschehen. Hinein in den Tiefschlaf.