Maas: Das Unwissen vieler Deutscher über NS-Verbrechen sei erschreckend
Berlin (Dpa) - Zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus hat Außenminister Heiko Maas für neue Ansätze in der Auseinandersetzung mit NS-Verbrechen geworben. Erinnerungsorte müssten auch Lernorte sein, schrieb der SPD-Politiker in einem Gastbeitrag für die „Welt am Sonntag“. „Wer heute geboren ist, für den ist etwa die Pogromnacht zeitlich genauso weit entfernt wie bei meiner Geburt ein Reichskanzler Bismarck. Das verändert das Gedenken, schafft mehr Distanz.“
Der Zeitpunkt rücke näher, an dem Zeitzeugen nicht mehr vom NS-Unrecht berichten könnten. „Unsere Gedenkkultur muss sich daran anpassen. (...) Was wir jetzt brauchen, sind neue Ansätze, um historische Erfahrungen für die Gegenwart zu nutzen. Unsere Geschichte muss von einem Erinnerungs- noch stärker zu einem Erkenntnisprojekt werden.“
Am Holocaust-Gedenktag am 27. Januar wird der sechs Millionen ermordeten europäischen Juden und aller anderen Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Am 27. Januar 1945 hatten sowjetische Soldaten die Überlebenden des Vernichtungslagers Auschwitz befreit. Das Lager steht symbolhaft für die NS-Verbrechen.
Maas warnte in dem Beitrag mit Blick auf die Digitalisierung: „Was einst am Stammtisch geraunt wurde, wird nun mit einem Klick für alle Welt öffentlich.“ Hass könne sich schneller verbreiten und in Hetze und schlimmstenfalls Gewalt münden.
„Wir sehen, wie in ganz Europa Nationalismus propagiert wird und Feindbilder genutzt werden, um die eigene dumpfe Ideologie zu rechtfertigen. Rechtspopulistische Provokateure relativieren den Holocaust – im Wissen, dass ein solcher Tabubruch maximale Aufmerksamkeit beschert.“
Der Minister warnt: „Unsere Erinnerungskultur bröckelt, sie steht unter Druck von extremen Rechten.“ Umso gefährlicher sei das Unwissen gerade der jungen Deutschen, das eine CNN-Erhebung offenbart habe. „40 Prozent wissen nach eigener Einschätzung kaum etwas über den Holocaust. Das sind schockierende Zahlen, die wir nicht tatenlos hinnehmen dürfen. Wir müssen die Geschichten der Menschen bewahren, die aus eigenem Erleben von dem Unfassbaren berichten können.“