Umfrage: Ostdeutschen stehen der Demokratie deutlich skeptischer gegenüber als Westdeutsche
Berlin (Zeit) - Die Menschen in Ostdeutschland stehen der Demokratie deutlich skeptischer gegenüber als Westdeutsche. Dies geht aus einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hervor. Demnach gaben lediglich 42 Prozent der Befragten in Ostdeutschland an, dass die in Deutschland gelebte Demokratie die beste Staatsform sei. In Westdeutschland meinten dies 77 Prozent.
Auch das Vertrauen, dass der Staat seinen Aufgaben gerecht wird, ist in Ostdeutschland signifikant niedriger als in Westdeutschland. So vertrauen zwei Drittel der Westdeutschen, aber nur jeder zweite Ostdeutsche darauf, dass Grundrechte wie die Meinungsfreiheit wirksam geschützt sind. 56 Prozent der Westdeutschen, aber nur 39 Prozent der Ostdeutschen sind überzeugt, dass die Gerichte unabhängig urteilen.
Das Wirtschaftssystem wird in Ost und West ebenfalls sehr unterschiedlich beurteilt. In Westdeutschland meinten 48 Prozent der Befragten, es gebe kein besseres System als die Marktwirtschaft. In Ostdeutschland waren lediglich 30 Prozent dieser Auffassung.
In anderen Punkten hingegen gibt es laut der Umfrage, für die zwischen Anfang und Mitte Januar 1.249 Menschen befragt wurden, größere Übereinstimmungen. So war für die Mehrheit der Westdeutschen wie der Ostdeutschen das vergangene Jahr ein gutes Jahr. Nur jeder Fünfte zieht für 2018 eine negative Bilanz. In das neue Jahr sind Ost- und Westdeutsche demnach gleichermaßen optimistisch gestartet, lediglich 14 Prozent in Ost wie West mit Befürchtungen.
Auch mit ihrer eigenen wirtschaftlichen Lage sind die Menschen sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland zufrieden: In beiden Landesteilen ziehen 53 Prozent von ihnen derzeit eine positive Bilanz. Als Wohlstandsverliererinnen sehen sich über die letzten Jahre hinweg 18 Prozent der West- wie der Ostdeutschen. 34 Prozent der Westdeutschen und 36 Prozent der Ostdeutschen bilanzieren hingegen eine Verbesserung ihrer ökonomischen Lage in diesem Zeitraum. Auch die Zufriedenheit der Rentner unterscheidet sich kaum: Im Westen sind 56 Prozent der Rentner mit der Höhe ihrer Rente zufrieden, im Osten 50 Prozent.
Knapp 30 Jahre nach der Wiedervereinigung ist indes die Mehrheit der ostdeutschen Bevölkerung davon überzeugt, dass zwischen Ost und West eine Trennlinie verläuft. Der Herkunft wird dabei in Ostdeutschland eine ungleich größere Bedeutung zugeschrieben als im Westen: Laut der Umfrage ist dies nur für 26 Prozent der Westdeutschen, aber für 52 Prozent der Ostdeutschen eine der wichtigsten Trennlinien. Auch die politischen Einstellungen gelten demnach in Ostdeutschland weitaus mehr als Spaltungsthema als in Westdeutschland: 46 Prozent der Westdeutschen, aber 63 Prozent der Ostdeutschen sind überzeugt, dass hier besonders gravierende Trennlinien verlaufen.
Die Unterschiede machen viele Beobachter vor allem anhand des Wählerverhaltens und der Einstellung zur Flüchtlingspolitik der Bundesregierung fest. Die Allensbach-Umfrage zeigt dazu erstmals konkrete Zahlen. Demnach halten es 74 Prozent der Westdeutschen und 66 Prozent der Ostdeutschen für vordringlich, die Fluchtursachen in den Herkunftsländern der Migranten zu bekämpfen. In der Frage, inwieweit man die Zuwanderung nach Deutschland begrenzen sollte, dreht sich dieses Verhältnis um: 65 Prozent der Westdeutschen halten dies für dringlich, in Ostdeutschland sind es 75 Prozent der Befragten.