Bundeswehr wird ihren Einsatz in Afghanistan beenden, wenn die USA ihre Truppen abziehen
Berlin (Tagesspiegel) - Die Medienberichte aus den USA haben die
Verbündeten in Europa aufgeschreckt: US-Präsident Donald Trump plant nach
Angaben von Regierungsvertretern in Washington, die Hälfte der in Afghanistan
stationierten amerikanischen Soldaten abzuziehen, wie Ende vergangenen Jahres
bekannt wurde.
Im Falle eines US-Abzugs würde die Bundesregierung auch die deutschen
Soldaten aus Afghanistan zurückholen: „Für uns gilt: Die Bundeswehr ist nie
allein unterwegs, sondern immer nur in Bündnissen und Koalitionen“, sagte Verteidigungsministerin
Ursula von der Leyen (CDU) der „Zeit“. Nach den Terroranschlägen vom 11.
September 2001 sei die Bundeswehr zusammen mit dem Nato-Partner USA nach
Afghanistan gegangen. „Gemeinsam rein – gemeinsam raus. Diese Devise gilt auch
heute noch.“
Derzeit sind etwa 1200 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan stationiert.
Im Rahmen der Nato-Mission „Resolute Support“ bilden sie seit 2015 vor allem im
Norden des Landes afghanische Sicherheitskräfte aus. Insgesamt nehmen 15000
Soldaten aus mehreren Ländern an dem Einsatz teil. Kein anderes Land stellt
jedoch so viele Truppen wie die USA: Etwa 14000 Amerikaner sind in Afghanistan
stationiert, von denen wiederum nur ein Teil der Mission „Resolute Support“
angehört. Andere US-Soldaten kämpfen nach wie vor gegen die Taliban.
Bisher hat die Bundesregierung aus den USA noch keine Informationen
über die Abzugspläne erhalten. Doch erst wenn bekannt ist, wie stark sich die
USA aus der gemeinsamen Mission zurückziehen, können die Bündnispartner
einschätzen, in welchem Maße sich die Sicherheitslage für sie ändert.
Allerdings hat Präsident Donald Trump mit dem bereits begonnenen Truppenabzug
aus dem Syrien-Einsatz gezeigt, dass er bei der Umsetzung seines
Wahlkampfversprechens keine Zeit verlieren will. Der Rücktritt von James Mattis
als Verteidigungsminister im Dezember deutet ebenfalls darauf hin, dass Trump
sich dieses Mal von seinem Umfeld nicht bremsen lässt.
Unklar blieb am Donnerstag in Berlin, ob von der Leyens Ansage nur für
den Fall gilt, dass sich die Amerikaner ganz aus Afghanistan zurückziehen, oder
auch für einen Teilabzug.
„Wenn die Amerikaner gehen, kann die Bundeswehr nicht bleiben“, sagte
der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Fritz
Felgentreu, dem Tagesspiegel. „Wir wären gar nicht in der Lage, nur mit den
europäischen Verbündeten diesen Einsatz zu sichern.“ Das könne schon nach einem
Teilabzug der USA der Fall sein. „Auch wenn die Amerikaner nur die Hälfte ihrer
Truppen abziehen, müssten wir neu bewerten, ob wir unter diesen Bedingungen den
Einsatz fortführen können.“ Der verteidigungspolitische Sprecher der
Unionsfraktion, Henning Otte, sagte ebenfalls, derzeit sei „ein Einsatz ohne
US-amerikanische Beteiligung nicht denkbar“. Das stehe allerdings nicht zur
Debatte. Die weiteren Entscheidungen würden in der Nato gemeinsam getroffen,
betonte Otte.
Die stellvertretende Grünen-Fraktionschefin Agnieszka Brugger sagte,
sie habe den Militäreinsatz in Afghanistan zwar immer abgelehnt, notwendig sei
aber ein „verantwortungsvoller Abzug zu einem klugen Zeitpunkt“. Falls die USA
große Teile ihrer Truppen abzögen, müsse die Bundesregierung einen Abzugsplan
vorbereiten. „Dabei müssen vor allem der Wiederaufbau und die
Entwicklungszusammenarbeit für die Zukunft so gut wie möglich unterstützt
werden.“
Ein Abzug der Truppen aus Afghanistan wäre „katastrophal“, warnte
Felgentreu. Die Sicherheitsstruktur des Landes werde zusammenbrechen. „Das
würde eine Fluchtbewegung auslösen, die dann auch uns erreicht.“