Deutsche Parteien: “Die Briten sollen wissen: Tief im Herzen wollen wir, dass sie bleiben.”
Berlin (Reuters) - Die Parteivorsitzende von CDU, SPD und Grünen sowie
Wirtschaftsverbände haben die Briten gemeinsam zum Verbleib in der EU
aufgefordert.
In einem Brief an die britische Zeitung “The Times” schrieben sie am
Freitag, keine Entscheidung sei unumkehrbar. “Unsere Tür wird immer offen
bleiben.” Die Bundesregierung rief die Regierung in London auf zu sagen, wie es
nach der Ablehnung des Brexit-Vertrags im Unterhaus nun weitergehen solle. Es
sei schwer vorstellbar, dass der Vertrag wieder aufgeschnürt werden, schrieb
Außenminister Heiko Maas auf Twitter. “Das haben wir immer sehr deutlich
gemacht, und daran hat sich durch die Abstimmung in London nichts geändert.”
Premierministerin Theresa May beriet sich am Freitag mit ihrem Kabinett sowie
mit Spitzenpolitikern in der EU. Am Donnerstag telefonierte sie bereits mit
Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Der Brief, den unter anderem die Chefs von Daimler und Airbus sowie
Gewerkschaftsführer wie DGB-Chef Reiner Hoffmann unterschrieben haben, endet
mit dem Satz: “Die Briten sollen wissen: Tief im Herzen wollen wir, dass sie
bleiben.” Unterzeichner sind auch die Vorsitzenden der Wirtschaftsverbände BDI,
BDA, DIHK und ZDH. Das Schreiben ist ungewöhnlich, weil sich deutsche
Spitzenpolitiker bisher aus der innerbritischen Debatte herausgehalten haben.
Das ändert sich mit der wachsenden Sorge um einen ungeordneten Brexit seit dem
Scheitern des Austrittsvertrags im britischen Parlament.
Die Bundesregierung sieht nach Mays Abstimmungsdebakel die
Premierministerin am Zug. “Wir wollen hören, was die britische Regierung jetzt
als nächsten Vorschlag bringt”, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Zum
Telefonat Merkels mit May nannte Seibert keine Einzelheiten. “Das Thema war
(..) der Brexit und wie es jetzt weitergeht”, sagte er lediglich. Eine
Sprecherin Mays sprach von einem konstruktiven Gespräch, nannte aber auch keine
Details.
May war am Dienstag mit ihrem zwei Jahre lang ausgehandelten
Austrittsvertrag im Parlament gescheitert. Seither wird spekuliert, ob es zu
einem ungeordneten Brexit kommt, ob es neue Verhandlungen mit der EU und einen
neuen Anlauf im Parlament oder eine zweite Volksabstimmung geben wird. May will
kommenden Montag einen neuen Plan zum weiteren Vorgehen vorlegen. Über den soll
am 29. Januar abgestimmt werden. Am 29. März will Großbritannien die EU
verlassen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und sein italienischer Kollege
Sergio Mattarella forderten die britische Regierung bei einem Treffen in Berlin
auf, ihre Wünsche in der Brexit-Debatte zu äußern. Die Frage über eine
Verschiebung des Brexit-Datums lasse sich schwer beantworten, “weil wir ja
nicht einmal wissen, was augenblicklich der Wunsch der britischen Regierung
ist”, sagte Steinmeier. Es sei völlig unklar, ob die Regierung in London
Gespräche wolle oder noch eine Möglichkeit für einen geordneten Brexit sehe.
Mattarella sagte: “Was wir wollen, ist vor allem Klarheit der Positionen.”