SPD versucht erneut, Sarrazin aus der Partei auszuschließen
Berlin (Welt) - Die SPD startet einen neuen Versuch, den Islam-Kritiker Thilo Sarrazin auszuschließen. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte, der Vorstand habe am Montag ein entsprechendes Parteiordnungsverfahren beschlossen. Hintergrund ist Sarrazins neuestes Buch „Feindliche Übernahme“, in dem das frühere Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank die Ansicht vertritt, dass „der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht“.
Nach Erscheinen des Buches hatte die SPD-Führung eine Untersuchungskommission eingesetzt, die den Inhalt prüfen und eine Empfehlung für den weiteren Umgang mit dem Autor abgeben sollte. Laut Klingbeil kam die Kommission zu dem Schluss, „dass Sarrazin Thesen propagiert, die mit den Grundsätzen der SPD unvereinbar sind und der Partei schweren Schaden zufügt“.
Sarrazin weist diese Darstellung zurück. Sein Buch präsentiere lediglich „Fakten und ihre Zusammenhänge“, sagte er im Gespräch mit WELT, und sei „in zurückhaltender Tonart geschrieben“. Den Versuch, ihn aus der Partei auszuschließen, bezeichnete der 73-Jährige als „Angriff auf die innerparteiliche Meinungsfreiheit“. Der Vorstand wolle „offenkundig Ansichten unterbinden, denen mit Argumenten nicht beizukommen ist“. Für ihn sei es eine „Selbstverständlichkeit, dass ich den Grundsätzen der SPD nicht entgegenwirke“.
Im Umfeld der Untersuchungskommission der SPD ist hingegen zu hören, Sarrazins aktuellstes Buch stelle eine neue Qualität dar, weil der Autor darin pauschalisierend alle Muslime ächte. Mitglieder der Kommission sind die Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan, Ex-Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin, der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Hans Peter Bull, die Gewerkschafterin und einstige NRW-Landesministerin Ilse Brusis sowie Julia von Blumenthal, Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. Die Kommissionsmitglieder wollen sich wegen des nunmehr laufenden Verfahrens nicht öffentlich äußern.
Juso-Chef Kevin Kühnert begrüßte den erneuten Ausschlussversuch: „Das wichtigste Buch seiner Karriere war keines seiner islamfeindlichen Pamphlete, das wichtigste Buch war immer das Parteibuch der SPD“, sagte Kühnert der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Ohne dieses wäre er immer nur ein Hetzer unter vielen gewesen. Es wird Zeit, ihm dieses Privileg zu entziehen. Mit den Werten der SPD hat er schon lange nichts mehr am Hut.“
Ein Schiedsgericht in Sarrazins Berliner SPD-Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf muss binnen sechs Monaten über den Antrag des Bundesvorstands entscheiden. Sollte Sarrazin oder die Bundespartei mit dem dort erzielten Ergebnis nicht einverstanden sein, müssten Landes- und Bundesschiedskommission sich mit dem Fall befassen.